Hallo,
hier ein Auszug der letzten Entscheidung von 2011
zusammengefasst: alles "verfassungsgemäß"
sie dient dem Gemeinwohl. Im Prinzip sollten wir froh sein, dass es nicht noch weniger ist!
Kürzung der Erwerbsminderungsrenten auch bei Rentenbeginn vor dem 60. Lebensjahr verfassungsgemäß
Pressemitteilung Nr. 17/2011 vom 18. Februar 2011
Beschluss vom 11. Januar 2011
1 BvR 3588/08
Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zugrunde:
1. Die Einführung eines gekürzten Zugangsfaktors bei Beginn der Erwerbsminderungsrente vor Vollendung des 63. Lebensjahres durch § 77 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB VI betrifft den Schutzbereich des Grundrechts auf Eigentum. Die Vorschrift bestimmt Inhalt und Schranken des Eigentums und greift hierbei zugleich in bestehende Rentenanwartschaften ein.
Die Regelung ist jedoch verfassungsgemäß, weil sie einem Gemeinwohlzweck dient und verhältnismäßig ist. Die Neuregelung des Zugangsfaktors dient dem legitimen Ziel, die Finanzierung der gesetzlichen Rentenversicherung zu sichern und damit die Funktionsfähigkeit des Systems der gesetzlichen Rentenversicherung im Interesse aller zu erhalten, zu verbessern und den veränderten wirtschaftlichen Bedingungen anzupassen. Nach Einführung der Abschläge bei vorzeitigem Bezug einer Altersrente durch das Rentenreformgesetz im Jahre 1992 ging der Gesetzgeber davon aus, dass Versicherte anstelle einer gekürzten Altersrente bevorzugt eine Erwerbsminderungsrente beantragen würden. Mit der Absenkung des Zugangsfaktors bei Erwerbsminderungsrenten sollte ein solches Ausweichen auf die Erwerbsminderungsrente verhindert und auf die Inanspruchnahme der Rente vor Eintritt des Regelalters für die Altersrente und damit auf eine Verlängerung der Rentenbezugszeit reagiert werden.
Die Kürzung des Zugangsfaktors war geeignet sowie erforderlich, um dieses angestrebte Ziel zu erreichen, und belastet die Beschwerdeführer nicht übermäßig. Zwar hatten sie bei Inkrafttreten der Neuregelung noch nicht das 60. Lebensjahr vollendet und damit eine Voraussetzung für den Bezug einer vorzeitigen Altersrente nicht erfüllt, so dass bei ihnen eine Ausweichreaktion von vorneherein ausscheidet. Aber auch den Versicherten, die vor Vollendung des 60. Lebensjahres eine Erwerbsminderungsrente beantragen, ist eine Kürzung des Zugangsfaktors zumutbar, weil sie von der vom Gesetzgeber gleichzeitig eingeführten erhöhten Zugangszeit und vom früheren Rentenbezug profitieren. Dadurch wird die Kürzung der Erwerbsminderungsrente für diese Versichertengruppe im Ergebnis erheblich gemildert mit der Folge, dass die Bezieher einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit mit erheblich geringeren Abschlägen belastet werden als Versicherte, die vorzeitig eine Altersrente in Anspruch nehmen.
Des Weiteren ist auch dem Grundsatz des Vertrauensschutzes durch die vom Gesetzgeber geschaffenen Übergangsregelungen hinreichend Rechnung getragen worden.
2. Da sich die Inhalts- und Schrankenbestimmung in § 77 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB VI als sachgerecht erweist, liegt auch kein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG vor. Der Umstand, dass der Zugang zur Erwerbsminderungsrente - anders als die vorzeitige Inanspruchnahme von Altersrente - eine schicksalhafte Entwicklung des Gesundheitszustandes voraussetzt, ist dadurch hinreichend berücksichtigt, dass die Abschläge bei Erwerbsminderungsrenten bei weitem nicht die bei Altersrenten mögliche Höhe erreichen und zudem noch durch die erhöhten Zurechnungszeiten teilweise kompensiert werden.
3. Die Rüge der Beschwerdeführer, sie würden gegenüber nichtbehinderten Altersrentnern hinsichtlich der Abschläge beim Zugangsfaktor rechtlich gleich behandelt, vermag schließlich auch keinen Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG zu begründen. Zum einen ist der rentenrechtliche Behindertenbegriff nicht identisch mit dem allgemeinen auf die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben abstellenden Behindertenbegriff, an dem sich Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG orientiert. Denn der Anspruch auf Erwerbsminderungsrente stellt allein auf die Fähigkeiten des Versicherten auf dem Arbeitsmarkt ab und lässt auch eine vorübergehende Krankheit ausreichen. Zum anderen ist die Vorschrift des § 77 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB VI, soweit sie Behinderte im Sinne des Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG trifft, wegen der oben dargestellten Berücksichtigung der gesundheitsbedingten Unfähigkeit, zu arbeiten, im Vergleich zu sonstigen Erwerbslosigkeiten noch gerechtfertigt.
https://www.bundesverfassungsgericht.de ... 1-017.html
Herzliche Grüße
Anja