Beurteilung und Bezeichnung der Gesundheitsstörungen

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Blacky
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Beurteilung und Bezeichnung der Gesundheitsstörungen

Ungelesener Beitrag von Blacky » So 24. Jan 2010, 20:59

(1) Nach Klarstellung der vorliegenden Gesundheitsstörungen kommt der Gutachter zur Beurteilung der Fragen, die für die Entscheidung über den vorliegenden Antrag wichtig sind.

(2) Ausgehend von den geltend gemachten Gesundheitsstörungen sind alle Unterlagen zur Vorgeschichte und zum Befund kritisch zu würdigen, wobei sich der Gutachter um eine neutrale Wertung aller Fakten bemühen muss. Die Pflichten eines Gutachters lassen eine wohlwollende Beurteilung ebenso wenig zu wie eine engherzig-strenge.

Der nicht selten angewandte Satz "in dubio pro aegroto" ist dem Strafrecht (in dubio pro reo) entnommen und abgewandelt; er gilt weder im sozialen Entschädigungsrecht noch im Schwerbehindertenrecht.

(3) Die Beurteilung beginnt in der Regel mit der Bezeichnung der Schädigungsfolge oder Behinderung. Diese muss vollständig und dabei zuverlässige Grundlage für den Bescheid sein. Die Bezeichnung soll vor allem die funktionelle oder anatomische Veränderung, die die Auswirkungen erkennen lässt, zum Ausdruck bringen. Klinische Diagnosen sind häufig nicht als Bezeichnung geeignet.

Allgemeine Bezeichnungen wie "Zustand nach...", "Folge von ..." sind nicht zu verwenden. Ebenso sind wertende Eigenschaftswörter wie "gering", "mäßig", "belanglos" u.a. in der Regel zu vermeiden; das Ausmaß der Gesundheitsstörung ergibt sich aus der Höhe des GdB/MdE-Grades.
Anmerkung

(4) Liegen mehrere Schädigungsfolgen oder Behinderungen vor, sollen diese in der Reihenfolge ihres Schweregrades den Funktionssystemen entsprechend (siehe Nummer 18 Absatz 4) aufgeführt werden.

(5) Die Bezeichnung soll nach Bescheiderteilung nicht unnötig geändert werden.

(6) Bei der Bezeichnung von Gliedmaßenschäden muss u.a. zu erkennen sein, ob und ggf. in welchen Gelenken Versteifungen oder Bewegungseinschränkungen vorliegen. Stets muss auch die Seitenbezeichnung angegeben werden.

(7) Auch interne Leiden sind nach Möglichkeit so zu bezeichnen, dass die Art der Funktionseinschränkung erkennbar wird, z.B. Bronchialasthma mit Einschränkung der Lungenfunktion - nicht Lungenleiden -, Herzleistungsschwäche bei Herzklappenfehler - nicht Herzleiden -. Abzusehen ist von der isolierten Bezeichnung vieldeutiger Symptome wie "vegetative Dystonie", "neurozirkulatorische Dysregulation" u.ä., da diese nicht allein, sondern nur in Verbindung mit anderen Störungen (z.B. mit psychischen Störungen oder mit einer Hypotonie) oder auch als Ausdruck eines Hirnschadens von Bedeutung sein können.

(8) Wenn ein Leiden ohne Funktionseinschränkung abgeheilt ist, liegt insoweit keine Behinderung vor. Es ist also z.B. falsch, einen "folgenlos verheilten Knochenbruch" aufzuführen.

(9) Die Bezeichnung der Gesundheitsstörung soll möglichst in deutscher Sprache erfolgen, damit sie auch für den medizinischen Laien verständlich ist. Es kann jedoch erforderlich sein, den medizinischen Fachausdruck in Klammern hinzuzufügen, insbesondere dann, wenn die Gesundheitsstörung im Antrag mit dem Fachausdruck bezeichnet ist.

(10) Da die vom Gutachter angegebene Bezeichnung in der Regel in den Bescheid übernommen wird und da der Antragsteller sowie Angehörige und manchmal auch andere Stellen davon Kenntnis erhalten, müssen Formulierungen, die seelisch belasten oder bloßstellen können, vermieden werden. So sind Bezeichnungen wie "Entstellung", "alkoholische Fettleber" oder "Raucherbronchitis" nicht zu verwenden. In dem gleichen Sinne ist beispielsweise statt "Schwachsinn" "geistige Behinderung", statt "Schizophrenie" "psychische Behinderung" anzugeben. Ebenso sind bei bösartigen Geschwülsten Umschreibungen zu benutzen, besonders dann, wenn nach dem Akteninhalt zu vermuten ist, dass der Antragsteller über die Art und Schwere seiner Gesundheitsstörung nicht informiert ist.

Bei solchen Umschreibungen ist es oft zweckmäßig, die Bezeichnung der Gesundheitsstörung näher zu erläutern, damit deutlich erkennbar wird, worauf sich die weitere Beurteilung, z.B. des GdB/MdE-Grades, stützt.

Bei einer Gesundheitsstörung, bei der eine Heilungsbewährung abzuwarten ist, soll die Bezeichnung der Gesundheitsstörung durch den Zusatz "im Stadium der Heilungsbewährung" ergänzt werden.

(11) Der Gutachter wird auch erwägen müssen, ob eine Akteneinsicht hinsichtlich der gesundheitlichen Verhältnisse sich nachteilig auf den Antragsteller auswirken kann. Ist dies zu erwarten, so ist vorzuschlagen, bei Gewährung von Akteneinsicht einen Arzt zu beteiligen (§ 25 Abs. 2 SGB X).

Enthalten die Akten Angaben von Dritten oder über dritte Personen (z.B. aus der Anamneseerhebung), die nicht die gesundheitlichen Verhältnisse des Antragstellers betreffen und im berechtigten Interesse des Antragstellers oder dritter Personen geheim gehalten werden müssen, ist darauf hinzuweisen, dass diese Teile der Akte von der Akteneinsicht auszuschließen sind (§ 25 Abs. 3 SGB X).

(12) Bei der GdB/MdE-Beurteilung der festgestellten Gesundheitsstörungen ist der GdB/MdE-Grad für jedes Funktionssystem gesondert anzugeben; abschließend ist dann der Gesamt-GdB/MdE-Grad zu beurteilen, der sich aus allen festgestellten Gesundheitsstörungen ergibt (siehe Nummer 18 Abs. 4 und Nummer 19).
Anmerkung

(13) Wenn im Gutachten anderweitig erhobene Befunde verwendet werden, ist zu vermerken, auf welche Unterlagen (mit Angabe der Seitenzahl) sich die Beurteilung bezieht; damit wird dem überprüfenden Arzt und dem Dezernenten die Durchsicht der Akten erleichtert und außerdem für spätere Nachprüfungen (siehe Nummer 11) klargestellt, welches die maßgeblichen Vorbefunde sind.

(14) Auch nicht geltend gemachte Gesundheitsstörungen, die sich aus dem Akteninhalt oder aus der Untersuchung ergeben und eine Schädigungsfolge oder Behinderung darstellen, sollen - im Interesse des Antragstellers - berücksichtigt werden, es sei denn, dass aus der Art der Behinderung auf den gegenteiligen Willen des Antragstellers geschlossen werden kann (z.B. venerische Erkrankungen).

Anmerkung

(15) Enthalten die Beurteilungsgrundlagen Lücken oder Widersprüche, die dazu führen, dass nicht alle geltend gemachten Gesundheitsstörungen beurteilt werden können, ist ausdrücklich auf diese Mängel hinzuweisen.

(16) Kann der Gutachter einer Beurteilung, die früher von anderer Stelle erfolgt ist, nicht zustimmen, hat er die Gründe seiner Abweichung darzulegen.

(17) Ist bei einer Nachprüfung eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen der festgestellten Schädigungsfolgen oder der Behinderung nachzuweisen, ist deutlich zu machen, worin sie besteht.

(18) Bei Beurteilungen im sozialen Entschädigungsrecht müssen zur Beantwortung der Zusammenhangsfrage alle mitwirkenden Bedingungen aufgezeigt und die naturwissenschaftlichen Ursachen in einer Gesamtbetrachtung der pathogenetischen Faktoren erörtert werden. Dabei soll nicht mit Worten wie "konstitutionell", "altersbedingt", "schicksalhaft" argumentiert werden.

Außerdem ist es geboten, die nicht auf einer Schädigung beruhenden Gesundheitsstörungen und die durch sie bewirkte Beeinträchtigung klar aufzuzeigen und gegenüber den Schädigungsfolgen abzugrenzen.

(19) Bei Beurteilungen nach dem Schwerbehindertenrecht ist zu beachten:

Wenn Abweichungen vom Gesundheitszustand geltend gemacht worden sind, die keine Behinderung darstellen, ist zwar auch auf diese in der Beurteilung einzugehen, aber nur im Anschluss an die Bezeichnung der Behinderung, etwa mit folgendem Satz. "Die geltend gemachte... bedingt keinen zusätzlichen GdB".

Quelle: http://anhaltspunkte.vsbinfo.de/nr/10.htm
MfG
Blacky

Erfolg steigt nur zu Kopf, wenn dort der erforderliche Hohlraum vorhanden ist.
(Manfred Hinrich)



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