Einsichtsrecht in Patientenunterlagen

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Amethyst
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Einsichtsrecht in Patientenunterlagen

Ungelesener Beitrag von Amethyst » Do 10. Jun 2010, 20:44

Einsichtsrecht in Patientenunterlagen und Akteneinsicht im Sozialrecht

1. Einsichtsrecht in Patientenunterlagen:

Prinzipiell hat man ein Einsichtsrecht in Patientenunterlagen, Rechtsgrundlage dafür ist § 810 des Bürgerlichen Gesetzbuches.

Bürgerliches Gesetzbuch

http://www.bundesrecht.juris.de/bgb/__810.html


§ 810 Einsicht in Urkunden
Wer ein rechtliches Interesse daran hat, eine in fremdem Besitz befindliche Urkunde einzusehen, kann von dem Besitzer die Gestattung der Einsicht verlangen, wenn die Urkunde in seinem Interesse errichtet oder in der Urkunde ein zwischen ihm und einem anderen bestehendes Rechtsverhältnis beurkundet ist oder wenn die Urkunde Verhandlungen über ein Rechtsgeschäft enthält, die zwischen ihm und einem anderen oder zwischen einem von beiden und einem gemeinschaftlichen Vermittler gepflogen worden sind.


Es gibt aber Einschränkungen.
Auf Seite 2 der unten zuerst angehängten Datei geht es um diese Einschränkungen, ebenso im 3. Anhang.

Krankenunterlagen - Wer darf Einsicht nehmen (Artikel aus dem Deutschen Ärzteblatt)

Einsichtsrecht in Krankenunterlagen

Da ist auch ein Musterbrief zum Herunterladen enthalten.
Wenn das Einsichtsrecht verwehrt wird, ggf. rechtliche Schritte ankündigen. Bitte dazu den Abschnitt unter dem Musterbrief beachten.

Update 2014:

Der Anspruch des Patienten auf Einsicht in die Patientenakte und Aushändigung von Kopien gegen Kostenerstattung ist jetzt auch im BGB gesetztlich normiert:

http://www.gesetze-im-internet.de/bgb/__630g.html


2. Akteneinsicht im Sozialrecht

In allen sozialrechtlichen Dingen hat man ein Recht auf Akteneinsicht. Diese auch in Anspruch zu nehmen, ist ratsam, weil Behörden oft nicht alle Unterlagen über einen Antragsteller vorliegen haben, was für diesen zum Nachteil sein kann, aber eigentlich nach

Sozialgesetzbuch SGB X

§ 20 Untersuchungsgrundsatz

nicht sein darf.


§ 20 Untersuchungsgrundsatz
(1) Die Behörde ermittelt den Sachverhalt von Amts wegen. Sie bestimmt Art und Umfang der Ermittlungen; an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten ist sie nicht gebunden.
(2) Die Behörde hat alle für den Einzelfall bedeutsamen, auch die für die Beteiligten günstigen Umstände zu berücksichtigen.
(3) Die Behörde darf die Entgegennahme von Erklärungen oder Anträgen, die in ihren Zuständigkeitsbereich fallen, nicht deshalb verweigern, weil sie die Erklärung oder den Antrag in der Sache für unzulässig oder unbegründet hält.


Wichtig für uns sind Satz 2 und 3.

Man kann in sozialrechtlichen Verfahren zunächst pauschal Widerspruch einlegen und Akteneinsicht beantragen.

http://www.gesetze-im-internet.de/sgb_10/__25.html

§ 25 Akteneinsicht durch Beteiligte
(1) Die Behörde hat den Beteiligten Einsicht in die das Verfahren betreffenden Akten zu gestatten, soweit deren Kenntnis zur Geltendmachung oder Verteidigung ihrer rechtlichen Interessen erforderlich ist. Satz 1 gilt bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens nicht für Entwürfe zu Entscheidungen sowie die Arbeiten zu ihrer unmittelbaren Vorbereitung.
(2) Soweit die Akten Angaben über gesundheitliche Verhältnisse eines Beteiligten enthalten, kann die Behörde statt dessen den Inhalt der Akten dem Beteiligten durch einen Arzt vermitteln lassen. Sie soll den Inhalt der Akten durch einen Arzt vermitteln lassen, soweit zu befürchten ist, dass die Akteneinsicht dem Beteiligten einen unverhältnismäßigen Nachteil, insbesondere an der Gesundheit, zufügen würde. Soweit die Akten Angaben enthalten, die die Entwicklung und Entfaltung der Persönlichkeit des Beteiligten beeinträchtigen können, gelten die Sätze 1 und 2 mit der Maßgabe entsprechend, dass der Inhalt der Akten auch durch einen Bediensteten der Behörde vermittelt werden kann, der durch Vorbildung sowie Lebens- und Berufserfahrung dazu geeignet und befähigt ist. Das Recht nach Absatz 1 wird nicht beschränkt.
(3) Die Behörde ist zur Gestattung der Akteneinsicht nicht verpflichtet, soweit die Vorgänge wegen der berechtigten Interessen der Beteiligten oder dritter Personen geheimgehalten werden müssen.
(4) Die Akteneinsicht erfolgt bei der Behörde, die die Akten führt. Im Einzelfall kann die Einsicht auch bei einer anderen Behörde oder bei einer diplomatischen oder berufskonsularischen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland im Ausland erfolgen; weitere Ausnahmen kann die Behörde, die die Akten führt, gestatten.
(5) Soweit die Akteneinsicht zu gestatten ist, können die Beteiligten Auszüge oder Abschriften selbst fertigen oder sich Ablichtungen durch die Behörde erteilen lassen. Die Behörde kann Ersatz ihrer Aufwendungen in angemessenem Umfang verlangen.


In Satz 4 heißt es, dass die Akteneinsicht in der Behörde erfolgen muss. Es gibt eine Ausnahme.

http://www.gesetze-im-internet.de/sgg/B ... G001101310

Es geht darin um das so genannte Vorverfahren.

§ 83
Das Vorverfahren beginnt mit der Erhebung des Widerspruchs.



§ 84a
Für das Vorverfahren gilt § 25 Abs. 4 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch nicht.


Und das ist eben jener Satz 4, das bedeutet konkret dass für die Akteneinsicht im Widerspruch, welcher das erste Rechtsmittel ist, das man einlegen kann, nicht in der Behörde Einsicht nehmen muss, sondern sich Kopien der Unterlagen (gegen Kostenerstattung, verlangt aber nicht jede Behörde) zuschicken lassen kann.

Auch im
Sozialgerichtsgesetz

§ 120 http://www.gesetze-im-internet.de/sgg/__120.html

ist das Einsichtsrecht geregelt.


Musterbrief:

Sehr geehrte......

gegen Ihren Bescheid vom.... lege ich Widerspruch ein. Die Begründung reiche ich nach. Um meinen Widerspruch begründen zu können, beantrage ich gemäß SGB X, § 25 Akteneinsicht. Bitte senden Sie mir Kopien der Unterlagen zu, auf deren Grundlage die Entscheidung erfolgte.

Mit freundlichen Grüßen

.........


So weiß man, was alles berücksichtigt wurde und oder ob wichtige Berichte fehlen. Nach Akteneinsicht würde ich dann in die Widerspruchsbegründung schreiben:

...In den Unterlagen fehlen Berichte von folgenden Stellen, die für die Beurteilung relevant sind:
1. ....
2. ....
3 ....

Dies widerspricht dem Untersuchungsgrundsatz nach § 20 SGB 10 Satz 2. Bitte fordern Sie für die Bearbeitung meines Widerspruchs noch Berichte von den genannten Stellen an...


Liebe Grüße

Annette
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Re: Einsichtsrecht in Patientenunterlagen

Ungelesener Beitrag von Amethyst » Fr 18. Mär 2011, 13:44

Hallo!

Eine Ergänzung:

Im Gesetz heißt es ja:

§ 25 Akteneinsicht durch Beteiligte
(1) Die Behörde hat den Beteiligten Einsicht in die das Verfahren betreffenden Akten zu gestatten, soweit deren Kenntnis zur Geltendmachung oder Verteidigung ihrer rechtlichen Interessen erforderlich ist. Satz 1 gilt bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens nicht für Entwürfe zu Entscheidungen sowie die Arbeiten zu ihrer unmittelbaren Vorbereitung....


Ich beziehe mich auf das fett geschriebene, es stellt sich ja sicher so manchem die Frage, was genau damit gemeint ist.

http://www.deutsche-rentenversicherung- ... 0_25R2.1.1


R2.1.1 Rechtliches Interesse der Beteiligten

Das rechtliche Interesse der Beteiligten ist von demjenigen des berechtigten Interesses zu unterscheiden. Das berechtigte Interesse umfasst jedes öffentliche oder private schutzwürdige Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher und ideeller Art. Demgegenüber sind die begrifflich enger gefassten rechtlichen Interessen der Beteiligten nur dann gegeben, wenn die Einsichtnahme bezweckt, eine tatsächliche Unsicherheit über ein Rechtsverhältnis zu klären, ein rechtlich relevantes Verhalten nach dem Ergebnis der Einsichtnahme zu regeln oder eine gesicherte Grundlage für die Verfolgung eines Anspruchs zu erhalten. Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, dass wirtschaftliche und rechtliche Interessen eng verflochten sein können, so dass auch derjenige, der ein wirtschaftliches Interesse hat, zugleich ein rechtliches Interesse haben kann (vgl. BT-Drucks. 7/910, S. 53). Nach dem Sinn der Regelung muss die Möglichkeit eines rechtlichen Interesses genügen. Die Entscheidung darüber, ob die Kenntnis des Akteninhalts zur Geltendmachung oder Verteidigung der rechtlichen Interessen der Beteiligten erforderlich ist, obliegt der Behörde, die allerdings in der Regel von der "Erforderlichkeit" ausgehen sollte (vgl. Auslegungsfrage Nr. 58 zum SGB 10 zu § 25 Abs. 1 im VDR-Rundschreiben vom 22.05.1981).
Erweist sich das auf Akteneinsicht gerichtete Begehren jedoch als querulantisch oder ausschließlich verfahrensverzögernd, kann das rechtliche Interesse verneint und somit auch die Akteneinsicht verweigert werden.



Liebe Grüße

Annette
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Re: Einsichtsrecht in Patientenunterlagen

Ungelesener Beitrag von Amethyst » Di 19. Jul 2011, 20:38

Hallo!

Ich habe etwas Interessantes gefunden.

Anfragen von Krankenkassen, MDK und anderen
Rechtsgrundlagen, Vordrucke, Vergütungen, Datenschutz, Schweigepflicht, Aufbewahrungsfristen …


http://www.aekn.de/web_aekn/home.nsf/Co ... kassen_mdk

Ist von der KVN, also Niedersachsen, ist aber Bundesrecht.

Liebe Grüße

Annette
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Anfragen von Krankenkassen, MDK und anderen.pdf
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Rechtsgrundlagen, Vordrucke,
Vergütungen, Datenschutz, Schweigepflicht,
Aufbewahrungsfristen …
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Re: Einsichtsrecht in Patientenunterlagen

Ungelesener Beitrag von Doppeloma » Di 5. Nov 2013, 00:01

Hallo Allerseits, :smile:

Hier mal was ziemlich aktuelles zu dieser wichtigen Thematik

Betrifft insbesondere die oft so gerne abgelehnten Einsichten in die Unterlagen von Amtsärzten /Krankenhäusern aber auch der eigenen behandelnden Ärzte ...

Man beachte insbesondere den § 630 g BGB dazu ...
§ 630 g BGB: Einsichtnahme in die Patientenakte

(1) Dem Patienten ist auf Verlangen unverzüglich Einsicht in die ihn betreffende Patientenakte zu gewähren, soweit der Einsichtnahme nicht erhebliche therapeutische oder sonstige erhebliche Gründe entgegenstehen. § 811 ist entsprechend anzuwenden.

(2) Der Patient kann Abschriften von der Patientenakte verlangen. Er hat dem Behandelnden die entstandenen Kosten zu erstatten.

(3) Im Fall des Todes des Patienten stehen die Rechte aus den Absätzen 1 und 2 zur Wahrnehmung der vermögensrechtlichen Interessen seinen Erben zu. Gleiches gilt für die nächsten Angehörigen des Patienten, soweit sie immaterielle Interessen geltend machen. Die Rechte sind ausgeschlossen, soweit der Einsichtnahme der ausdrückliche oder mutmaßliche Wille des Patienten entgegensteht.

Anmerkung:

Vereinfacht: Der Patient darf jederzeit Einsicht in seine Patientenakte verlangen. Ausnahme: es stehen gewichtige therapeutische Gründe entgegen. Abschriften sind dem Patienten auszuhändigen. Er muss allerdings die Kosten für diese tragen. Die Erben haben auch ebenfall ein Recht auf Einsicht, wenn vermögensrechtliche Interessen geltend gemacht werden. Nächste Angehörige können auch immaterielle Interessen geltend machen.
Quelle

http://www.patienten-rechte-gesetz.de/b ... nakte.html

Sehr interessante Seite, mit weiteren Informationen zur aktuellen/geänderten Rechtslage (in Kraft seit Februar 2013 !!!) und den Rechten als Patient ... bitte auch dem Link oben von @Amethyst zum BGB folgen, dort wird das auch aktualisiert angezeigt ... :lesen: :ic_up:

Liebe Grüße von der Doppeloma :umarm:
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Re: Einsichtsrecht in Patientenunterlagen

Ungelesener Beitrag von stadtpflanze » Mi 1. Jul 2015, 15:24

Patientenquittung (hat zwar nicht mit Patientenakte zu tun)

kann man z.B. bei der TK anfordern.
"Welche Leistungen hat der Arzt abgerechnet?
Und welche Kosten sind dafür entstanden?
TK-Versicherte erhalten darauf mit der TK-Patientenquittung eine Antwort.
Übersichtlich und verständlich listet die Quittung alle vom Arzt abgerechneten Leistungen auf, sodass die Patienten die entstandenen Kosten nachvollziehen können.
Außerdem können Sie die gestellten Diagnosen anfordern.
Der Blick in die eigene Patientenquittung ist somit ein übersichtlicher und verständlicher Auszug aus der Krankengeschichte, der sowohl über erbrachte Leistungen als auch deren Kosten informiert. Er kann auch helfen, bei der Planung einer neuen Behandlung Untersuchungen zu vermeiden, die bereits vor einiger Zeit von einer anderen Praxis vorgenommen wurden.
Die TK-Patientenquittung reicht maximal 18 Monate zurück."

Ich bekam die Aufstellung innerhalb weniger Tage. Sehr interessant und aufschlussreich. :aha:
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