Überblick - sozialtechnische Informationen

Was will krank-ohne-rente bezwecken, was wollen wir erreichen?
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stadtpflanze
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Überblick - sozialtechnische Informationen

Ungelesener Beitrag von stadtpflanze » Mo 8. Feb 2010, 18:50

Sozialtechnische Infos, Stand Dezember 2006, Achtung: laufende Änderungen
Dr. H.-C. Schimansky, Post nur über: Postfach 51 44, 58226 Schwerte, Tel. 02304-97337-7, Fax -9,
Anschrift meiner Schulungsräume s. website http://www.schimansky-netz.eu, E-Mail: hanschristoph.schimansky@googlemail.com
· alle sozialen Leistungen fließen nur ab Antragstellung, nicht rückwirkend:
Arbeitslosengeld I und II, Sozialgeld, Krankengeld (in der Regel). Rente wird rückwirkend gewährt ab Eintritt der Erwerbsminderung mit
bestimmten Fristen, dabei Verrechnung mit anderen gezahlten Sozialleistungen. Arbeitslos melden ist gesetzliche Verpflichtung schon
bei Kündigung, nicht erst bei Ende des Arbeitsverhältnisses!!!
· Zuverdienst erlaubt?
bei Arbeitsunfähigkeit (AU) nicht. Nur bei stufenweiser Wiedereingliederung Arbeit erlaubt trotz weiterer AU!
bei Arbeitslosigkeit ja: ein Teil wird nicht angerechnet, darüber gestaffelte Anrechnung, z.B. 1-EURO-Jobs, 400,-- EURO-Jobs.
bei voller Erwerbsminderungs-Rente z.Zt. 350,-- Euro (West) als Arbeitnehmer, nicht als Selbständiger. - Bei 50%-
Erwerbsminderungsrente große Unterschiede!
· Aussteuerung:
bei Arbeitsunfähigkeit besteht innerhalb der Blockzeit von 3 Jahren für die gleiche Diagnose Anspruch auf 18 Monate Krankengeld,
wobei die Lohnfortzahlung mit eingerechnet wird: dann entfallen alle Geldleistungen, auch die Sozialversicherung (= Kranken-,
Renten-, Arbeitslosenversicherung ). Krankenversicherung auf eigene Kosten freiwillig weiter möglich. Die Krankenkasse schreibt meist
vor der Aussteuerung, daß Pat. innerhalb von 10 Wochen Reha-Antrag stellen muß, sonst fällt Krankengeld weg (Mitwirkungspflicht
des Pat.!). Reha- und Rentenantrag gelten gleich, wobei Reha vor Rente geht; Rentengutachter soll in jedem Falle beides prüfen. Falls
Gutachter Berentung befürwortet, trotzdem Rentenantragsformulare erforderlich.
Wenn Aussteuerung droht bei weiterbestehender AU, zahlt das Arbeitsamt alles weiter, wenn
1. weiter AU bestätigt wird (da dafür kein Formular vorhanden, Privatrezept ausstellen, Arbeitsamt fragen) und
2. Reha- oder Rentenantrag läuft und
3. Aussteuerung erfolgte
Bei durchgehender AU nützen Diagnosewechsel nichts: gilt juristisch als gleiche Krankheit.
Bei Erst-AU und weiteren Bescheinigungen nur die eine Diagnose angeben, die AU bedingt: sonst wird für jede Diagnose eine
eigene Blockfrist angelegt: z.B. bei ständiger Zusatzdiagnose „Diabetes“ bei neuen AU-Bescheinigungen kann dann irgendwann plötzlich
Aussteuerung wegen Diabetes erfolgen, obwohl dies nicht die AU bedingte!
· Auszahlschein:
Krankengeldzahlungen erfolgen nach Ablauf der Lohnfortzahlung von der Krankenkasse nach Vorlage des vom Arzt unterschriebenen
Auszahlscheins (wird im Unterschied zur gelben AU-Bescheinigung immer rückwirkend bestätigt, bei weiterer AU „ja“ ankreuzen).
Viele Pat. sind per Arbeitsvertrag/Tarifvereinbarung verpflichtet, dies dem Arbeitgeber zu melden, da dieser keinen Durchschlag mehr
bekommt! Sie verstoßen sonst gegen ihre arbeitsvertraglichen Verpflichtungen. Patienten darauf hinweisen, sonst Kündigungsgrund!
· Missglückter Arbeitsversuch:
Pat. will es schlau machen, um AU zu unterbrechen und wieder in die Lohnfortzahlung zu kommen: er beendet AU und arbeitet einige
Tage, dann erneut AU. Die Krankenversicherung schreibt den Arzt an, ob es sich um einen missglückten Arbeitsversuch handelt. Falls
Arzt bestätigt, gilt die Arbeitszeit als durchgehende AU, also durchgehend weiter Krankengeld statt Lohnfort-zahlung.
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· Rentenantrag: laufende Änderungen der Bestimmungen beachten,
z.Zt. Rentenantrag wegen Erwerbsminderung möglich, wenn
1. 60 Monate Pflichtversicherung besteht und (seit 1984!!!)
2. in den letzten 5 Jahren vor Rentenantragstellung mindestens 3 Jahre Pflichtversicherungsbeiträge eingezahlt
wurden (Rettung für fehlende Zeiten: 400,--EURO-Jobs mit Zuzahlung zur Rentenpauschale oder als
Pflegebezugsperson für einen Pflegebedürftigen (Pflegestufe 1-3) mit Erwerb von Rentenzeiten!)
3. und medizinisch Erwerbsminderung besteht.
Frauen können Rente beantragen mit 60 Jahren (aufsteigend Staffelung des Alters nach Geburtsjahr), wenn sie nach dem 40. Lj. über 10
Jahre gearbeitet haben.
Schwerbehinderte können mit 60 Jahren (Staffelung s.o.) Rente beantragen (Antrag etwa 4 Monate vorher einreichen), wenn sie 35
Pflichtversicherungsjahre nachweisen.
Kinderjahre (vor 1992 geborene Kinder 1 Jahr, ab 1992 3 Jahre je Kind) werden angerechnet; Ehepartner können entscheiden, bei
wessen Rentenversicherung die Kinder eingetragen werden.
Rentenrecht änderte sich grundlegend 2001: Hauptproblem ist der Wegfall des Arbeitsmarktkriteriums (da verkappte Arbeitslosenhilfe!)
bei Teilleistungsfähigkeit: das BSG hatte Vollberentung entschieden, wenn medizinisch nur Teilleistung möglich und der
Arbeitsmarkt dafür verschlossen ist. Ab 2001 nur noch medizinische Kriterien nach Leistungsprofil auf dem allgemeinen
Arbeitsmarkt – die Ärzte müssen also entscheiden, ob nur 1-2 oder auch 3-5 oder 6-8 Stunden täglich Arbeit möglich ist.
- 6-8 Stunden belastbar: keine Rente
- 3 bis unter 6 Stunden belastbar: nur 50 % der Vollrente (statistisch unter der „Sozialhilfe“!).
- 0 bis unter 3 Stunden belastbar: volle Erwerbsminderungsrente
Neues Gesetz 2006: Altersrente mit 67 Jahren ab Geburtsjahr 1964 beschlossen; Anhebung um 1 Monat beginnt ab 2012 für die
1947 Geborenen, dann je Jahrgang einen Monat später, ab 1959 Geborene jeweils 2 Monate später. Ausnahme: mit 65 Jahren
Altersrente bei 45 Beitragsjahren.
· Reha-Antrag: wenn aus Krankheitsgründen die Erwerbsfähigkeit erheblich bedroht (oder gemindert) ist. Gleiche formale
Voraussetzungen bei Vorversicherungszeiten wie bei Rentenantrag.
Diverse Einschränkungen mit erhöhter Zuzahlung, nur alle 4 Jahre möglich (Ausnahme begründen), 3 Wochen Dauer usw. – Dadurch
stark rückläufige Antragszahl mit Gefährdung der Reha-Einrichtungen.
Falls Rententräger nicht zuständig (weil Pat. Rentner ist oder weil Erwerbsfähigkeit durch die Reha-Maßnahme nicht wiederhergestellt
werden kann), ist die Krankenkasse nachrangig zur Leistung verpflichtet, wenn Heilung, Besserung oder Linderung nur mit
Mitteln einer Reha-Klinik erzielt werden können. Pat. muß Formular bei der Kasse besorgen, dort ärztlichen Teil mit Begründung
ausfüllen. Krankenkassen belegen am liebsten kasseneigene Kliniken.
· Schwerbehindertenausweis: Schwerbehindert ist man ab 50 % GdB. Die gutachterlichen Bestimmungen
sind 1996 besonders für körperliche Leiden verschärft worden (Köllen-Verlag Bonn: Anhaltspunkte für die gutachterliche Tätigkeit
bei Schwerbehinderung). Zwischen 30 und 49 % kann man vor erfolgter Kündigung beim Arbeitsamt Gleichstellungsantrag
stellen zum Kündigungsschutz, beim Arbeitgeber gilt man dann als Schwerbehinderter, jedoch ohne mehr Urlaub oder Steuerpauschale.
Ab 50 % bekommt man einen Ausweis, hat neben dem Kündigungsschutz noch 5 Tage mehr Urlaub im Jahr (Lehrer stattdessen
Stundenzahlermäßigung bei gleichen Bezügen) und eine Steuerpauschale.
Der Kündigungsschutz besteht auch bei einer Zeitrente!
Wichtig: die GdB-Prozente für körperliche Behinderungen sind verschlechtert worden. Bei psychischen Leiden ist auszuführen,
ob leichte, mittelschwere oder schwere soziale Anpassungsschwierigkeiten bestehen. Die Diagnose reicht also nicht für die
Einschätzung, sondern wie sich das Leiden als Behinderung auswirkt. Mittelschwer bewirkt 50-70 % GdB! Dazu Beispiele
beschreiben: völliger sozialer Rückzug, im Beruf ständige Verwicklungen mit Rechthaberei, Entwertungen usw., aggressives
Verhalten gegenüber der Umgebung usw.
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· 2005 wurden Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe zusammengelegt zu einer einheitlichen Grundsicherung für
Arbeitssuchende, d.h. für alle erwerbsfähigen MitbürgerInnen zwischen 15 und 65 Jahren.
Wer arbeitslos wird, bekommt zunächst Arbeitslosengeld I, das aus der Arbeitslosenversicherung finanziert wird (60 % des
pauschalierten letzten Nettoarbeitslosenentgeltes, 67 % mit Kind). Voraussetzungen: mindestens 12 Monate in der letzten 3 Jahren
versicherungspflichtig tätig gewesen, Arbeitslosmeldung und neue Beschäftigung suchend. Dauer max. 12 Monate, über 56 Jahre alt bis
18 Monate. Aktuelle Diskussion beachten wegen Änderungen!!!
Nach Ablauf des ALG I wird ALG II (Harzt IV) gezahlt, an die Angehörigen Sozialgeld:
1. Voraussetzung: erwerbsfähig sein
Erwerbsfähig nach Hartz IV ist, wer auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens 3 Stunden täglich arbeiten kann.
Nicht erwerbsfähig ist, wer wegen Krankheit oder Behinderung gegenwärtig oder auf absehbare Zeit (ca. 6 Monate) außerstande ist,
mindestens 3 Stunden täglich zu arbeiten.
Für nicht erwerbsfähige Sozialhilfeempfänger ändert sich nichts, weiter vom örtlichen Sozialamt betreut.
2. Voraussetzung: hilfebedürftig sein
Wer seinen Lebensunterhalt nicht decken kann und eigenes Einkommen und Vermögen unterhalb der Freigrenzen liegen:
Freibetrag für Anschaffungen 750,-- EUR, Grundfreibetrag je Lebensjahr 200,-- EUR (mind. 4.100,-- EUR, max. 13.000,-- EUR),
Altersvorsorge je Lebensjahr 200,-- EUR (nicht vor Ruhestand verwertbar!). Zusätzlich unzumutbare und unwirtschaftliche Verwertung
nicht zwingend, z.B. geringer Rückkaufswert einer Lebensversicherung. – Kein Rückgriff mehr auf Verwandte, außer bei minderjährigen
Hilfsbedürftigen und Hilfebedürftigen unter 25. Lj. ohne abgeschlossene Erstausbildung. – Diskussion über Unterhalt beachten!
3. Zumutbare Arbeit annehmen
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· neues Insolvenzrecht/Restschuldbefreiung: endlich gibt es das Gesetz über den „Privatkonkurs“, auch für Ärzte z.B.:
ab 1999 wird nach einem durchgeregelten Verfahren derjenige von allen Schulden, auch Steuerschulden, nach 7 Jahren freigestellt, der in
Zusammenarbeit mit entsprechenden Stellen, bes. Schuldnerberatungsstellen oder Verbraucherberatungsstellen, auch Steuerberater oder
Rechtsanwalt „Wohlverhalten“ nachweist. – Privatkonkurs soll noch vereinfacht werden mit kürzerer Laufzeit.
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· Erbrecht: in den nächsten Jahren wird viel vererbt.
Der überlebende Ehepartner sieht sich häufig mit Pflichtteilsforderungen der Kinder konfrontiert: Eheleute haben Häuschen gebaut,
Mann stirbt, 3 Kinder fordern Geld von der Mutter. Das Haus ist inzwischen 300.000,-- EUR wert. Mutter erbt die Hälfte, die Kinder die
andere Hälfte, jedes Kind also 50.000,-- EUR, davon ist der Pflichtteil die Hälfte, also je Kind 25.000,-- EUR. Dies gilt auch, wenn die
Eheleute sich als Alleinerben eingesetzt haben (Berliner Testament)!!! Die Mutter muß 75.000,-- EUR Hypothek aufnehmen, kann die aus
der Rente nicht bezahlen, also Hausverkauf, die Familie ist kaputt. „Erst sparen wir uns alles vom Munde ab für die Kinder und legen uns
krumm für das Haus, nun soll ich alles nochmal bezahlen, Undank ist der Welt Lohn!“
Ausweg: zu Lebzeiten sollten Eheleute, jeder auf den anderen, eine Risikolebensversicherung abschließen in Höhe der zu erwartenden
Pflichtteile, dann gibt’s keinen Stress!
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· Krankheit und Führerschein:
Bestellen Sie beim Wirtschaftsverlag NW, Verlag für neue Wissenschaft GmbH, Bürgermeister-Smidt-Str. 74-76,
27568 Bremerhaven, Tel. 0471-94544-0, Fax 0471-945 44 77: Begutachtungs-Leitlinien zur Kraftfahrereignung, 2000,
ISBN: 3-89701-464-5, Preis 5,-- EUR. Darin klare Hinweise, was bei allen relevanten Krankheiten gilt. Als Info für betroffene
Patienten gut geeignet: einfach die betr. Seite für den Patienten kopieren; erspart viele Überzeugungskämpfe!
Letzter Tip: in der Rentenversicherung werden an Ausbildungsjahren nur noch 3 Jahre vom 17.-20. Lj. anerkannt. Studierte haben
dadurch eine große Lücke. Diese läßt sich als Anrechnungszeit nachversichern. Mit der nächsten Renten-Beratungsstelle die Vor- und
Nachteile besprechen!!!
Viel Spaß! (wegen der ständigen Änderungen ohne Gewähr)
Besorgen Sie sich beim Pharmareferenten der Firma betapharm Arzneimittel GmbH die
betaListe, ein Lexikon für Sozialfragen
oder über Registrierung Internet http://www.betapharm.de oder Telefon 0800-7488100,
für Fragen gibt es eine Hotline betafon (01805-2382366)– alles kostenlos für ÄrztInnen

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Ungelesener Beitrag von stadtpflanze » Fr 9. Apr 2010, 16:15

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Nette Grüße von der Stadtpflanze
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