Zwangsverrentung? Nein, danke!

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Anja12
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Zwangsverrentung? Nein, danke!

Ungelesener Beitrag von Anja12 » Mo 16. Mai 2016, 08:47

Hallo,

derzeit läuft eine bundesweite Aktion der Jobcenter - Zwangsverrentung-
Bitte folgender Beitrag beachten:

Inwieweit das Jobcenter Empfängerinnen und Empfänger von ALG II
vorzeitig in Rente schicken darf. Zwischenzeitlich hat das
Bundessozialgericht mit Urteil vom 19.08.2015 (Az.: B 14 AS 1/15
R) darüber entschieden, dass die Aufforderung zur Beantragung
von vorzeitiger Altersrente rechtmäßig ist und die Betroffenen die
damit dauerhaften Abschläge, die mit einer vorzeitigen
Inanspruchnahme der Rente einhergehen, in Kauf nehmen müssen.

Heißt das jetzt aber nun, dass es gar keine Möglichkeit mehr
gibt, sich gegen diese „Zwangsverrentung“ zu wehren? Heißt das,
dass die Nachteile, die mit einer vorzeitigen Inanspruchnahme der
Rente entstehen, einfach so hingenommen werden müssen?

Aus unserer Sicht ist dem nicht so. Den Betroffenen ist
diesbezüglich anzuraten, gute Nerven zu behalten und der
Aufforderung zur Beantragung der Rente nicht nachzukommen. Es stellt
sich natürlich die Frage, was dann passiert.

Das Jobcenter hat die gemäß § 5 Abs. 3 SGB II eingeräumte
Möglichkeit, den erforderlichen Antrag im Namen des Betroffenen bei
der Rentenversicherung zu stellen. Unsere Erfahrung zeigt, dass das
Jobcenter von dieser Möglichkeit zunehmend auch Gebrauch macht.

Der Betroffene erhält dann von der Rentenversicherung eine
Aufforderung, dass er die notwendigen Unterlagen, welche die
Rentenversicherung für die Antragstellung und Bearbeitung bzw.
Bewilligung der Rente benötigt, bei der Rentenversicherung
einreichen soll. Hier ist nun Vorsicht geboten. Dieser
Mitwirkungsverpflichtung sollten die Betroffenen nicht nachkommen.
Wir vertreten die Auffassung, dass die Mitwirkungsverpflichtung
gegenüber der Rentenversicherung nicht besteht, wenn man die Rente
selbst nicht möchte.

Das Jobcenter darf die Leistungen nach dem SGB II nicht
einstellen, da die Mitwirkungsverpflichtung nicht gegenüber dem
Jobcenter besteht, sondern nur gegenüber der Rentenversicherung.
Diese Auffassung hat nunmehr auch das Sozialgericht Dresden mit
Beschluss vom 18.04.2016 (Az.: S 12 AS 1652/16 ER)
in einem von uns durchgeführten Eilverfahren bestätigt.

Worum ging es?

In dem vorliegenden Fall wurde die Betroffene durch das Jobcenter
aufgefordert, vorzeitige Altersrente in Anspruch zu nehmen. Nachdem
unsere Mandantin dieser Aufforderung nicht nachkam, stellte das
Jobcenter gemäß § 5 Abs. 3 SGB II den Antrag beim
Rentenversicherungsträger in deren Namen. Im Folgenden wurde unsere
Mandantin sogar durch das Jobcenter aufgefordert, ihrer
Mitwirkungsverpflichtung bei der Deutschen Rentenversicherung
nachzukommen, indem sie die erforderlichen Rentenunterlagen umgehend
bei der Rentenversicherung einreicht. Dieser Aufforderung ist unsere
Mandantin auf unser Anraten hin nicht nachgekommen. Daraufhin entzog
das Jobcenter ihr sämtliche Leistungen mit der Begründung, dass sie
ihrer Mitwirkungsverpflichtung nicht nachgekommen sei. Das
Sozialgericht Dresden hat entschieden, dass im Rahmen der
summarischen Überprüfung des Bescheids festzustellen ist, dass
vieles dafür spricht, dass dieses Vorgehen rechtswidrig ist.

Zum einen schon deshalb, weil die Antragstellerin hilfebedürftig
ist, da eine Rente oder anderweitiges Einkommen nicht gezahlt wird.
Der Umstand, dass unsere Mandantin ausweislich der Rentenauskunft der
Deutschen Rentenversicherung eine vorzeitige Altersrente erhalten
könnte, mindert die Hilfebedürftigkeit nicht, denn allein die
Möglichkeit, eine solche Rente von der Rentenversicherung zu
erhalten, führt nicht dazu, dass tatsächlich Einkommen erzielt
wird. Einnahmen sind nur dann Einkommen, wenn sie zugeflossen und
geeignet sind, den konkreten Bedarf im jeweiligen Monat zu decken.

Das Gericht entschied weiter, dass das Jobcenter auch nicht
berechtigt war, die bewilligten Leistungen mit der Begründung zu
entziehen, dass unsere Mandantin ihrer Mitwirkungsverpflichtung nicht
nachgekommen wäre. Das Gericht ist der Auffassung, dass die
Mitwirkungshandlungen im Verhältnis zu einem dritten
Leistungsträger, hier der Rentenversicherung, nicht gelten sollen.

Darüber hinaus ist im konkreten Fall auch durch das Gericht
darauf hingewiesen worden, dass die Belehrung, welche dazu führt,
dass Leistungen aufgrund fehlender Mitwirkungsverpflichtungen
entzogen werden können, im vorliegenden Fall nicht ordnungsgemäß
erfolgt ist. Es ist davon auszugehen, dass die meisten
Aufforderungsbescheide zur Mitwirkung dementsprechend rechtswidrig
sind. Die Hinweise sind meist nicht konkret und verständlich genug.

Dies führt also dazu, dass, solange keine Rente gezahlt wird und
die Jobcenter nicht in der Lage sind, die Aufforderungsbescheide zur
Mitwirkungsverpflichtung deutlich und formell richtig zu erlassen,
die Leistungen nach dem SGB II nicht eingestellt werden dürfen. Im
Ergebnis wird der Rentenbeginn immer weiter hinausgezögert, da der
Rentenversicherung die erforderlichen Unterlagen zur Bewilligung der
Rente nicht vorliegen. Diese wird dann aufgrund fehlender Unterlagen
ablehnen.

Fazit

Den Betroffenen ist daher zu empfehlen, der Aufforderung zur
Antragstellung der Rente nicht nachzukommen und das weitere
Tätigwerden des Jobcenters abzuwarten. Sollten Bescheide mit der
Aufforderung zur Mitwirkung seitens des Jobcenters ergehen, mit denen
Unterlagen für die Beantragung von Rente angefordert werden,
empfiehlt es sich stets, anwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, um
zu überprüfen, ob die Bescheide tatsächlich rechtmäßig sind.

Gegenüber der Rentenversicherung sollte man den Aufforderungen
nicht nachkommen und dort auch nicht die entsprechenden Unterlagen
einreichen.

Dies schafft den Betroffenen Zeit, den Rentenbeginn immer weiter
hinauszuzögern. Durch diesen Zeitgewinn können die Abschläge von
der Rente verringert werden.

anwalt.de/rechtstipps/zwangsve…ng-nein-danke_081956.html


Viele Grüße
Anja

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Re: Zwangsverrentung? Nein, danke!

Ungelesener Beitrag von Doppeloma » Mo 16. Mai 2016, 12:26

Hallo Anja12, :smile:

bin mir nicht ganz sicher, ob hier für diese Thematik die richtige Plattform ist, wir kämpfen hier um die EM-Rente die man problemloser bekommen sollte, wenn die Gesundheit nicht mehr mitmacht, um bis zum regulären Rentenalter weiter zu arbeiten, die Zwangsrente mit Abschlägen aus dem SGB II heraus ist da eine ganz andere Baustelle.

Das bedeutet NICHT, dass ich diese gesetzliche Regelung für richtig halte aber hier ist der falsche Platz das diskutieren zu wollen, schließlich hängen da noch viele andere Fragen dran, die mit EM-Rente nicht viel zu tun haben.

Es ist auch schwierig sich zu einem Gerichtsurteil zu äußern, das man nicht im Original nachlesen kann, zumal SG-Urteile auch nicht unbedingt eine "durchschlagende Wirkung" entwickeln, wenn das BSG und Verfassungsgericht dazu bereits die Rechtslage als "in Ordnung" betätigt haben.
Dieses Thema hat eine Komplexität (zwischen Arbeitsmarkt und Rentenansprüchen generell), die nur schwer zu erfassen und überblicken ist aus gesunder Sicht ... :confused: :Gruebeln:

Denn ich persönlich frage mich von Beginn an WARUM man Menschen überhaupt in eine vorzeitige Altersrente ZWINGEN will (und gesetzlich abgesegnet auch darf), wenn doch bis 67 gearbeitet werden soll und Politiker, das gerne noch weiter "nach hinten" schieben möchten, wegen angeblichem Fach- und Arbeitskräftemangel. :confused: :confused: :confused:

Deinem Beitrag kann ich in manchen Hintergründen auch nicht ganz folgen, was den geschilderten Fall betrifft, denn es wird davon geschrieben, dass eine vorzeitige Rente beantragt werden soll, obwohl es gar keinen Zahlungsanspruch an die DRV geben würde ... das passt nicht zusammen, denn für eine Rente ab 63 müssen mindestens 35 Versicherungsjahre bei der DRV auf dem Rentenkonto sein und das geht nicht ohne Zahlungsanspruch zu haben.

Der Rentenbetrag könnte sehr gering sein, wenn z.B. überwiegend Teilzeit gearbeitet wurde und beitragsfreie Zeiten enthalten sind aber komplett OHNE Beiträge ist das rein rechtlich gar nicht möglich, da fehlen mir zu viele konkrete Informationen wie das zustande gekommen sein soll und es ist ganz sicher nicht der Regelfall, wenn es denn doch "irgendwie" passen sollte.

Im ELO-Forum hat bereits Jemand hartnäckig versucht die Zwangs-Rente zu verweigern, weil er die Abschläge nicht akzeptieren wollte und es hat ihm nicht geholfen, denn nach 3 Jahren Verfahrensdauer wurde die Rente "rückwirkend" bewilligt zu dem Zeitpunkt wo das JC ihn dazu aufgefordert hatte, er glaubte auch damit die Abschläge noch eingrenzen zu können, wenn er das mit dem Verfahren noch "hinziehen" kann.

In einem anderen Fall, den ich da kürzlich "online" betreut habe wurde einfach zum Tag X das ALGII eingestellt, weil man der Meinung war die Betroffene sei nun 63 und würde sofort die vorgezogene Altersrente beziehen.

Sie wurde nie zur Antragstellung aufgefordert, man setzte einfach voraus, dass sie nun mit 63 Rentner sei und das ALGII nicht mehr benötigt ... da ist man froh wenn man den laufenden Lebensunterhalt und die Miete noch rechtzeitig wieder sichern kann, da hält sich der Kampfgeist gegen diese Unverschämten Handlungen der Behörde in Grenzen ...

Ich denke nicht, dass die Betroffenen nach einigen Jahren vergeblicher Jobsuche und "pflegeähnlicher" Betreuung in diversen Ü 50 - Maßnahmen noch die Kraft und die Kenntnisse haben werden sich über die "Mitwirkungspflichten" da heraus zu helfen, wer diese Kraft noch entwickeln kann, der wird wohl auch am sehr angespannten Arbeitsmarkt noch rechtzeitig eine andere Arbeit finden können und nicht von Hartz 4 auf lange Sicht abhängig sein (wollen) ...

Wenn ich immer lese wie VIELE Ü 50 nach dem Verlust ihres Arbeitsplatzes im SGB II-System bald "untergehen" und eigentlich gar keine Hoffnung mehr haben, dass sich das je wieder ändern wird ... hier versagt doch schon die Vermittlung bei der AfA, denn die meisten haben doch dort zunächst mal Ansprüche, da steckt der "Teufel" einfach schon in zu vielen Details und es werden auch immer weniger Betroffene überhaupt noch die nötigen Versicherungsjahre zusammen bekommen.

Im Videotext war die Tage auch wieder eine Meldung (der Sender ist egal, da sind sie auch alle gleich), wie man "aus ALGII früher in Rente kommen könnte", ich habe mir den Beitrag dort mal angesehen, schon mit der Vorahnung, dass man den Leuten da auch wieder einen "Bären" aufbinden wird, der mit der Realität nicht viel zu tun hat.

Hatte mich nicht getäuscht, allerdings frage ich mich immer noch auf welchem Informations-Stand dieser Sender solche Nachrichten verbreitet, es wurde angekündigt, dass man (in der Regierung) darüber nachdenken würde Hartz4-Emfänger mit 63 in Rente zu schicken, "ob sie wollen oder nicht" ...
"Guten Morgen" kann ich dazu nur sagen und verkauft wird es als "Wohltat", was schon seit Jahren gesetzlich möglich ist und eigentlich kein Betroffener dort wirklich WILL ... :Wut: :schimpfen:

Naive Gemüter lesen das und denken sich inzwischen, dass ist ja gut ich bin ja bald 63, und dann wird ihnen von der DRV klar gemacht, dass sie aber kein Geld (oder nur sehr wenig) aus der Rentenkasse bekommen werden, weil sie dort eben gar kein Ansprüche dafür aufbauen konnten, das JC hat diese Lage auch vorher zu prüfen, aber kleinen Anspruch auf die Vorlage von entsprechenden Unterlagen, denn die Renten-Information ist auch ein Dokument was nur die DRV und den Informierten anzugehen hat ...

Aber die "Mitwirkungspflichten" werden ja überall inzwischen sehr gerne und SEHR weit ausgedehnt ... und wer nicht "mitwirken" will (weil er die Forderungen für rechtswidrig hält von dieser Behörde für ihre Aufgaben), der bekommt eben kein Geld mehr ... da bin ich auch etwas vorsichtig, den Betroffenen immer "die offene Konfrontation" anzuraten, es ist immer einfach zu sagen /schreiben "Wehr dich, lass dir das nicht bieten" :keule: :keule: :keule: , wenn man selbst inzwischen sein Geld (wenigstens das Notwendigste) für den Lebensunterhalt jeden Monat pünktlich auf dem Konto hat.

Mindestens ein weiterer Aspekt wird aber auch gerne "übersehen", denn eine Altersrente ganz ohne Abschläge (in etwa der angekündigten Höhe aus der Renteninformation) gibt es ohnehin nur dann wenn man auch bis dahin arbeiten konnte und die notwendigen Beiträge weiter zahlen konnte, wer ab Mitte 50 nur noch reduzierte "Anrechnungszeiten" aus (überwiegend) beitragsfreien Versicherungszeiten bekommt, wird auch diesen (auf 65 + X hochgerechneten) Alters-Renten-Betrag im Alter nicht mehr erreichen können.

Liebe Grüße von der Doppeloma :umarm:
Was mich nicht umbringt macht mich stärker!

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Re: Zwangsverrentung? Nein, danke!

Ungelesener Beitrag von Anja12 » Mo 16. Mai 2016, 12:36

Hallo Doppeloma,

dies war nur als Information gedacht, nicht als Diskussion.
Es gibt zu viele, die sich diesen Missstand gefallen lassen.
Wir wissen alle, wie die Urteile beim Bundessozialgericht und
vor dem Bundesverfassungsgericht zu Stande kommen.

Recht ist, was öffentliche Kassen füllt.

In diesem Sinne noch einen schönen Restsonntag.

Viele Grüße

Anja

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