Besteuerung von Erwerbsminderungsrenten

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k@lle
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Besteuerung von Erwerbsminderungsrenten

Ungelesener Beitrag von k@lle » Do 28. Jul 2011, 06:51

Erwerbsminderungsrenten aus der gesetzlichen Rentenversicherung sind seit dem Inkrafttreten der Neuregelung zur steuerlichen Behandlung der Alterseinkünfte durch das Alterseinkünftegesetz zum 1. Januar 2005 nicht mit dem – gewöhnlich niedrigeren – Ertragsanteil, sondern wie Altersrenten mit dem sogenannten Besteuerungsanteil zu besteuern.
Dies enschied jetzt der Bundesfinanzhof in drei bei ihm anhängigen Verfahren. Bereits 2009 und 2010 hatte der Bundesfinanzhof die Verfassungsmäßigkeit des AltEinkG in Bezug auf die Altersrenten grundsätzlich bejaht. Nun hat er entschieden, dass die Neuregelung auch in Bezug auf die Erwerbsminderungsrenten nicht gegen die Verfassung verstoße.
In dem jetzt vom Bundesfinanzhof entschiedenen Leitfall hatte die Klägerin im Jahr 2005 eine Erwerbsminderungsrente erhalten. Diese Rente wurde mit einem Besteuerungsanteil von 50% der Besteuerung unterworfen. Wäre die Rente demgegenüber noch im Jahr 2004 – dem Jahr vor dem Inkrafttreten des Alterseinkünftegesetzes – gezahlt worden, wäre sie nur mit einem Ertragsanteil von 4% zu besteuern gewesen.
Die durch die Neuregelung des § 22 Nr. 1 Satz 3 EStG eingetretene Steuermehrbelastung der Klägerin sah der Bundesfinanzhof als durch den grundlegenden Systemwechsel der Rentenbesteuerung, der durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts notwendig geworden war, gerechtfertigt an. Es bestehe hinsichtlich der Erwerbsminderungsrenten kein entscheidender Unterschied zu den Altersrenten aus der gesetzlichen Rentenversicherung.
Renten der gesetzlichen Rentenversicherung wegen verminderter Erwerbsfähigkeit sind mit dem Besteuerungsanteil gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG der Besteuerung zu unterwerfen.
Die Einbeziehung der Erwerbsminderungsrenten in diese Vorschrift ist nicht verfassungswidrig.
Gleichstellung der Erwerbsminderungsrenten mit den Altersrenten im Rahmen der Rentenbesteuerung
Erwerbsminderungsrenten der gesetzlichen Rentenversicherung gehören zu den Leibrenten und sonstigen Leistungen, die gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG zu besteuern sind. Daher bestimmt sich der Besteuerungsanteil der Rente nach der Tabelle des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 3 EStG; eine Ertragsanteilsbesteuerung gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst a Doppelbuchst. bb EStG i.V.m. § 55 Abs. 2 EStDV ist nicht möglich. Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der Einbeziehung der Erwerbsminderungsrenten in die Vorschrift des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG bestehen nicht.
Zu den sonstigen Einkünften des § 22 EStG gehören auch Leibrenten und andere Leistungen, die aus den gesetzlichen Rentenversicherungen, den landwirtschaftlichen Alterskassen, den berufsständischen Versorgungseinrichtungen und aus Rentenversicherungen im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG erbracht werden, soweit sie jeweils der Besteuerung unterliegen (§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 1 EStG). Bemessungsgrundlage ist der Besteuerungsanteil, der nach den Vorgaben des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Sätze 2 bis 8 EStG errechnet wird.
Sozialversicherungsrenten sind Leibrenten im Sinne des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG a.F.. Solche Renten sind, wenn sie auf eine bestimmte Zeit beschränkt sind oder zu einem früheren Zeitpunkt mit dem Tod des Versicherten enden, abgekürzte Leibrenten. Daran hat sich durch die Neuregelung des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG aufgrund des AltEinkG nichts geändert. Zu den Leibrenten aus den gesetzlichen Rentenversicherungen gehören alle in § 33 SGB VI aufgezählten Rentenarten, die durch die gesetzliche Rentenversicherung gewährt werden, nämlich die Renten wegen Alters (§ 33 Abs. 2, §§ 35 ff. SGB VI), wegen verminderter Erwerbsfähigkeit (§ 33 Abs. 3, §§ 43 ff. SGB VI) sowie wegen Todes (§ 33 Abs. 4, §§ 46 ff. SGB VI).
Während die Erwerbsminderungsrenten als abgekürzte Leibrenten bis zum Inkrafttreten des AltEinkG nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Satz 4 EStG a.F. i.V.m. § 55 Abs. 2 EStDV zu besteuern waren, fehlt der Neuregelung des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG ein Hinweis auf eine Ertragsanteilsbesteuerung aufgrund der EStDV, so dass auch die Erwerbsminderungsrenten –ebenso wie die anderen in § 33 SGB VI genannten Renten– mit dem Besteuerungsanteil gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Sätze 2 ff. EStG zu besteuern sind.
Demgegenüber werden nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG die Leibrenten, “die nicht solche im Sinne des Doppelbuchstaben aa sind”, mit dem in § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb Satz 4 EStG bestimmten Ertragsanteil besteuert. Ebenfalls einer Ertragsanteilsbesteuerung unterliegen auf Antrag die Leibrenten nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG, soweit die Leibrenten auf bis zum 31.12. 2004 geleisteten Beiträgen beruhen, welche mindestens zehn Jahre oberhalb des Höchstbeitrags zur gesetzlichen Rentenversicherung gezahlt wurden. Sind diese Renten abgekürzte Leibrenten, wird der Ertragsanteil durch eine Rechtsverordnung bestimmt (§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb Satz 5 EStG). Diese Vorschrift bildet i.V.m. § 51 Abs. 1 Nr. 3 EStG die Ermächtigungsgrundlage für die Regelung des § 55 Abs. 2 EStDV, in der die Ertragsanteile für abgekürzte Leibrenten festgelegt worden sind.
Der fehlende Hinweis in § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG auf eine mögliche Ertragsanteilsbesteuerung beruht auf keinem Versehen des Gesetzgebers. Dieser hat vielmehr bewusst entschieden, abgekürzte und nicht abgekürzte Leibrenten der Basisversorgung gleich zu behandeln, so dass es eines Hinweises nicht bedurfte.
Dies zeigt die Begründung des Gesetzentwurfs zum AltEinkG, in der ausdrücklich darauf hingewiesen wird, der Regelungsgehalt des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG umfasse sämtliche Rentenarten, insbesondere auch Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und Hinterbliebenenrenten, die bisher als abgekürzte Leibrenten nach der Ertragsanteilstabelle in § 55 Abs. 2 EStDV besteuert worden seien. Begründet wird diese Entscheidung mit der steuerlichen Entlastung der zugrunde liegenden Beiträge.
Die grundsätzliche Entscheidung des Gesetzgebers, bei der Besteuerung der Sozialversicherungsrenten nicht nach abgekürzten und lebenslangen Leibrenten zu differenzieren, entspricht dem Sinn und Zweck der durch das AltEinkG eingeführten nachgelagerten Besteuerung der Alterseinkünfte.
Die Neuregelung der Besteuerung der Alterseinkünfte war notwendig geworden, weil das Bundesverfassungsgericht im Urteil vom 6. März 2002 die unterschiedliche Besteuerung von Beamtenpensionen und Sozialversicherungsrenten für gleichheitswidrig erklärt hatte. Es hatte für die steuerliche Entlastungswirkung der Ertragsanteilsbesteuerung der Sozialversicherungsrenten im Vergleich zur Besteuerung von Versorgungsbezügen der Ruhestandsbeamten keine hinreichenden sachlichen Gründe gesehen. Dem für die Ertragsanteilsbesteuerung der Sozialversicherungsrenten maßgeblichen Leitbild einer entgeltlich erworbenen Leibrente entspreche allenfalls ein Anteil der Rentenzahlung, der weniger, in vielen Fällen auch deutlich weniger als die Hälfte der Rentenzahlungen ausmache. Dies beruhe vor allem auf dem gemäß § 3 Nr. 62 EStG steuerfreien Arbeitgeberanteil und dem Bundeszuschuss.
Dieser Befund des BVerfG kann nicht auf die Altersrenten beschränkt werden; er gilt vielmehr in gleichem Maße für die Erwerbsminderungsrenten. Deswegen bedurfte es auch in Bezug auf die Besteuerung der sozialversicherungsrechtlichen Erwerbsminderungsrenten einer Neuregelung, um die verfassungswidrige Ungleichbehandlung im Verhältnis zur Besteuerung entsprechender (beamtenrechtlicher) Versorgungsbezüge zu beenden.
Das AltEinkG umfasst den gesamten Komplex des von der Sachverständigenkommission zur Neuordnung der steuerlichen Behandlung von Altersvorsorgeaufwendungen und Altersbezügen erarbeiteten Drei-Schichten-Modells. Die erste Schicht stellt die Basisversorgung durch die gesetzliche Rentenversicherung, die landwirtschaftlichen Alterskassen, die berufsständischen Versorgungseinrichtungen sowie die kapitalgedeckte Altersversorgung, die sog. Rürup-Rente dar. Die zweite Schicht dient der Zusatzversorgung und die dritte Schicht umfasst Kapitalanlageprodukte, die der Alterssicherung dienen können, aber nicht müssen. Die Besteuerung der Basisversorgung beruht auf dem Konzept der nachgelagerten Besteuerung: Die Altersrenten sind als solche steuerbar; zu berücksichtigen sind –wenn auch zeitlich versetzt– die Aufwendungen und Erträge, die sich aus den Beiträgen und den Rentenzahlungen ergeben. Dies gilt gleichermaßen für die Besteuerung von Erwerbsminderungsrenten; sie beruhen ebenfalls auf den Beiträgen, die der Steuerpflichtige in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt hat und die, soweit sie nicht bereits nach § 3 Nr. 62 EStG steuerfrei waren, von ihm zumindest teilweise steuermindernd geltend gemacht werden konnten und können.
Verfassungsmäßigkeit der Besteuerung der Erwerbsminderungsrenten
Die gesetzliche Neuregelung der Besteuerung der Alterseinkünfte ist –auch soweit sie die Besteuerung der Erwerbsminderungsrenten der Basisversorgung betrifft– verfassungsgemäß.
Der Bundesfinanzhof hat in ständiger Rechtsprechung bei der Besteuerung der Altersrenten den Übergang zur nachgelagerten Besteuerung grundsätzlich als verfassungskonform angesehen, sofern nicht gegen das Verbot der Doppelbesteuerung verstoßen wird.
Auch gegen die Besteuerung der Erwerbsminderungsrenten der Basisversorgung gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken.
Die nachgelagerte Besteuerung der Erwerbsminderungsrenten der Basisversorgung verstößt nicht gegen das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 GG.
Die Ungleichbehandlung der Erwerbminderungsrente der Klägerin im Vergleich zu Erwerbsminderungsrenten, deren Besteuerung in § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG geregelt ist und die lediglich mit dem Ertragsanteil besteuert werden, ist dadurch gerechtfertigt, dass –wie oben unter II.01.d bb dargelegt– die Beiträge zu den Basisversorgungseinrichtungen steuerlich geltend gemacht werden können.
Dagegen sind die Beitragszahlungen zu privaten Leibrentenversicherungen, sofern es sich nicht um Altversicherungen im Sinne von § 10 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b EStG (jetzt: § 10 Abs. 1 Nr. 3a EStG) handelt, nicht als Sonderausgaben steuerlich abziehbar. Ähnliches gilt für die dem § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb Satz 2 EStG zugrunde liegenden Beitragszahlungen, die jenseits der Beitragsbemessungsgrenze entrichtet wurden. Sie konnten in der Vergangenheit wegen der Höchstbeträge des § 10 Abs. 3 EStG a.F. steuerlich nicht berücksichtigt werden. Diese Beiträge wurden damit aus versteuertem Einkommen gezahlt. Haben sich die Beitragszahlungen aber nicht steuermindernd ausgewirkt, so ist es gerechtfertigt, nur den Teil der Rente steuerlich zu erfassen, der zusätzlich zum angesparten Rentenkapital als Zinsanteil zur Auszahlung gelangt.
Dass in der Vergangenheit die Beiträge zur privaten Rentenversicherung unter Umständen in einem vergleichbaren Umfang wie Beiträge zu den Basisversorgungssystemen steuerlich berücksichtigt werden konnten, ändert daran nichts. Die von dem Gesetzgeber seinerzeit gewählte Lösung, alle privaten Rentenversicherungen, die nicht unter § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG fallen, (nur) mit dem Ertragsanteil des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG zu besteuern, ist unter dem Gesichtspunkt der Vereinfachung und Pauschalierung zulässig. Der Gesetzgeber konnte bei Schaffung des AltEinkG zu Recht davon ausgehen, dass sich Beiträge zur privaten Rentenversicherung –vor allem wegen des Überschreitens der Sonderausgabenhöchstbeträge– nur in einem geringeren Maße steuerlich auswirken konnten. Die Besteuerung des Ertragsanteils der korrespondierenden Rentenzahlungen war daher insoweit eine folgerichtige gesetzliche Lösung.
Ein Verstoß gegen Art. 3 GG liegt auch nicht darin, dass Renten aus der gesetzlichen Unfallversicherung gemäß § 3 Nr. 1 Buchst. a EStG steuerfrei sind. Aus Art. 3 Abs. 1 GG ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber. Für die Anforderungen an Rechtfertigungsgründe für gesetzliche Differenzierungen kommt es wesentlich darauf an, in welchem Maß sich die Ungleichbehandlung auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten auswirken kann. Genauere Maßstäbe und Kriterien dafür, unter welchen Voraussetzungen der Gesetzgeber den Gleichheitssatz verletzt, lassen sich nur in Bezug auf die jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereiche bestimmen. Der Grund für die Beschränkung der Steuerfreiheit in § 3 Nr. 1 Buchst. a EStG auf Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ist sozialpolitischer Natur. Es sollen nur Leistungen an einen Personenkreis von der Steuer freigestellt werden, der dem Gesetzgeber auch bei der Regelung der Versicherungspflicht als schutzwürdig erschienen ist.
Entgegen der Auffassung der Kläger verstößt die Besteuerung der Erwerbsminderungsrenten der Basisversorgung mit dem Besteuerungsanteil nicht gegen das Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit (Leistungsfähigkeitsprinzip).
Ihr Argument, durch die Erwerbsminderung wachse den Betroffenen keine zusätzliche Leistungsfähigkeit zu, kann einen Verstoß gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip nicht begründen. Bei der Einkommensteuer zeigt sich die Leistungsfähigkeit in der individuellen Zahlungsfähigkeit des Steuerpflichtigen. Diese Zahlungsfähigkeit wird durch die vom Steuerpflichtigen erzielten Einkünfte begründet, sei es durch Einkünfte aus aktiver Erwerbstätigkeit oder durch Rentenzahlungen, unabhängig davon, ob es sich um Alters- oder um Erwerbsminderungsrenten handelt. Entsprechend hat auch das Bundesverfassungsgericht den Charakter einer Verletztenrente dahingehend gewürdigt, dass diese “ebenso wie der Arbeitslohn selbst der Sicherung des Lebensunterhalts dient”.
Falls die Kläger meinen, eine Erwerbsminderung bedinge erhöhte Aufwendungen und führe damit zu einer geminderten steuerlichen Leistungsfähigkeit, ist darauf hinzuweisen, dass im Einkommensteuerrecht diesen zusätzlichen Belastungen durch Regelungen wie § 33 und § 33b EStG Rechnung getragen wird.
Bedeutet der Hinweis dagegen, durch die erhöhte Besteuerung der Erwerbsminderungsrenten sei keine ausreichende Versorgung mehr gewährleistet, kann dies ebenfalls nicht zu einem Verstoß gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip führen. Für die verfassungsrechtliche Würdigung der einschlägigen Normen des EStG am Maßstab des Art. 3 Abs. 1 GG kommt es ausschließlich auf die einkommensteuerliche Belastung an, die diese Normen bei verschiedenen Steuerpflichtigen bewirken. Außerhalb der verfassungsrechtlich maßgeblichen Vergleichsperspektive liegen dagegen Be- und Entlastungswirkungen, die sich jenseits der einkommensteuerlichen Belastung erst aus dem Zusammenspiel mit den Normen des Besoldungs-, Versorgungs- und Sozialversicherungsrechts ergeben.
Ein Verstoß gegen Art. 14 GG ist nicht erkennbar. Die Besteuerung der Erwerbsminderungsrente der Klägerin mit dem Besteuerungsanteil gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 3 EStG anstatt mit einem Ertragsanteil gemäß § 55 Abs. 2 EStDV verstößt nicht gegen das Verbot der Übermaßbesteuerung.
In seinem Beschluss vom 18. Januar 2006 hat das Bundesverfassungsgericht darauf hingewiesen, es sei grundsätzlich nicht zu beanstanden, hohe Einkommen auch hoch zu belasten, soweit beim betroffenen Steuerpflichtigen nach Abzug der Steuerbelastung ein –absolut und im Vergleich zu anderen Einkommensgruppen betrachtet– hohes, frei verfügbares Einkommen bleibe, das die Privatnützigkeit des Einkommens sichtbar mache. Sei Letzteres gewährleistet, liege es weitgehend im Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers, die Angemessenheit im Sinne vertikaler Steuergerechtigkeit selbst zu bestimmen. Auch wenn dem Übermaßverbot keine zahlenmäßig zu konkretisierende allgemeine Obergrenze der Besteuerung entnommen werden könne, dürfe allerdings die steuerliche Belastung auch höherer Einkommen für den Regelfall nicht so weit gehen, dass der wirtschaftliche Erfolg grundlegend beeinträchtigt werde und damit nicht mehr angemessen zum Ausdruck komme. Nach diesen Grundsätzen kann bei den Klägern eine Übermaßbesteuerung im Streitjahr nicht festgestellt werden.
Sofern die Kläger in dem erheblichen Anstieg der steuerlichen Belastung den Grund für eine mögliche Verfassungswidrigkeit der Besteuerung der Erwerbsminderungsrenten gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG sehen, machen sie einen Verstoß gegen den Vertrauensschutzgrundsatz geltend.
Der Bundesfinanzhof hat –zu Altersrenten– bereits entschieden, dass die geänderte Besteuerung der Renteneinkünfte aufgrund des Systems der nachgelagerten Besteuerung unter Aufgabe des Systems der Ertragsanteilsbesteuerung nicht gegen den rechtsstaatlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes verstößt. Die Abwägung zwischen dem Ausmaß des durch die Gesetzesänderung verursachten Vertrauensschadens und der Beeinträchtigung der geschützten Grundrechtspositionen des Einzelnen (insbesondere Art. 2 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 GG) einerseits und der Bedeutung des gesetzgeberischen Anliegens für das Gemeinwohl andererseits führe zu dem Ergebnis, dass die verfassungsrechtlich geforderte Beseitigung der steuerlichen Ungleichbehandlung der Alterseinkünfte –bei gleichzeitiger Berücksichtigung der Finanzierbarkeit der Neuregelung für die öffentlichen Haushalte– das Interesse des Steuerpflichtigen am Fortbestand der Ertragsanteilsbesteuerung seiner Renteneinkünfte überwiege.
Die Abwägung in Bezug auf die Besteuerung von Erwerbsminderungsrenten führt zu demselben Ergebnis. Zwar ist –wie im Streitfall– von einem erheblichen Anstieg der individuellen steuerlichen Belastung des betroffenen Steuerpflichtigen auszugehen. Dieses ist aber kein entscheidender Unterschied zur Besteuerung der Altersrenten, die durch das AltEinkG ebenfalls teilweise gravierend stärker steuerlich belastet wurden.
Das Ergebnis wird durch die jüngste Rechtsprechung des Bundesverfassungsgericht zur Verfassungswidrigkeit der Rückwirkung einiger Vorschriften des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 gestützt. Auch in den diesen Beschlüssen zugrunde liegenden Sachverhalten ergaben sich durch die Neuregelungen erhebliche Verschlechterungen der Rechtspositionen eines Steuerpflichtigen, sei es durch die Kürzung der Entlastung von Entschädigungszahlungen, sei es durch die Verlängerung der Haltefristen bei Grundstücksveräußerungsgeschäften oder durch die Absenkung der Beteiligungsquote bei der Besteuerung von Veräußerungen von Anteilen an Kapitalgesellschaften. Die damit verbundenen steuerlichen Mehrbelastungen, teilweise sogar erstmaligen Steuerbelastungen, sind mit den Verschlechterungen, denen die Kläger ausgesetzt sind, vergleichbar.
Das Bundesverfassungsgericht hat in allen drei Beschlüssen nochmals klargestellt, dass der verfassungsrechtliche Vertrauensschutz den Staatsbürger nicht vor jeder Enttäuschung bewahren kann. Soweit nicht besondere Momente der Schutzwürdigkeit hinzutreten, genießt die bloß allgemeine Erwartung, das geltende Recht werde zukünftig unverändert fortbestehen, keinen besonderen verfassungsrechtlichen Schutz. Der Gesetzgeber muss aber, soweit er für künftige Rechtsfolgen an zurückliegende Sachverhalte anknüpft, dem verfassungsrechtlich gebotenen Vertrauensschutz in hinreichendem Maß Rechnung tragen.
Im Falle der Veräußerungsfrist nach § 23 EStG hat das BVerfG ausdrücklich erkannt, dass deren Verlängerung so lange keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegne, wie die Frist noch nicht abgelaufen sei, da die bloße Möglichkeit, Gewinne später steuerfrei vereinnahmen zu können, keine (vertrauens-)rechtlich geschützte Position begründe. Hinzu komme, dass angesichts langjähriger Auseinandersetzungen und verschiedener gescheiterter Reformversuche zur Erweiterung der Besteuerung privater Veräußerungsgewinne mit der Möglichkeit einer Realisierung derartiger Vorhaben seit langem zu rechnen gewesen sei.
Diese Erwägungen gelten entsprechend für die Erwartung des Steuerpflichtigen bei Eintritt in die gesetzliche Rentenversicherung, seine Renteneinkünfte aus der gesetzlichen Rentenversicherung nur mit dem Ertragsanteil versteuern zu können. Auch im Fall der Rentenbesteuerung war bereits seit dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 26. MÄrz 1980, spätestens aber seit dem BVerfG-Urteil in BVerfGE 105, 73 bekannt, dass die Ertragsanteilsbesteuerung der Sozialversicherungsrenten verfassungsrechtlich problematisch war, so dass mit einer Neuregelung der Besteuerung von Renten gerechnet werden musste. Entsprechendes gilt für die gesetzlichen Erwerbsminderungsrenten, da auch diese Renten im Vergleich zu einer entsprechenden Beamtenversorgungsleistung steuerlich erheblich geringer belastet wurden. Das Vertrauen der Kläger auf den Nichteintritt eines deutlichen Anstiegs der Steuerbelastung der Renteneinkünfte war daher nur noch eingeschränkt schützenswert. Die verfassungsrechtlich geforderte Beseitigung der Ungleichbehandlung von Renten und Beamtenpensionen überwiegt infolgedessen das Interesse der Kläger an dem dauerhaften Fortbestehen der Ertragsanteilsbesteuerung der Erwerbsminderungsrente der Klägerin.
Bundesfinanzhof, Urteile vom 13. April 2011 – X R 54/09, X R 19/09 und X R 33/09


Besteuerung von Rentennachzahlungen
Posted: 27 Jul 2011 02:08 AM PDT
Rentennachzahlungen, die für Jahre vor 2005 geleistet werden, können nicht mit dem Ertragsanteil besteuert werden. Sie müssen mit dem durch das Alterseinkünftegesetz normierten Besteuerungsanteil besteuert werden, wenn die Rentenzahlungen erst nach dem 1. Januar 2005, dem Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes, zugeflossen sind.
In dem jetzt vom Bundesfinanzhof entschiedenen Streitfall hatte die Klägerin im Februar 2003 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung beantragt. Die Rentenversicherung Bund hatte jedoch erst im Februar 2005 die Erwerbsminderungsrente rückwirkend bewilligt. Die entsprechenden Rentennachzahlungen wurden von dem Finanzamt mit dem Besteuerungsanteil von 50 % besteuert und nicht – wie von der Klägerin beantragt – mit dem Ertragsanteil, der in ihrem Fall 4 % betragen hätte.
Das erstinstanzlich mit der Klage befasste Niedersächsische Finanzgericht hatte der Klägerin Recht gegeben. Es war der Auffassung, Nachzahlungen für eine Zeit vor dem Inkrafttreten des Alterseinkünftegesetzes seien jedenfalls dann noch nach der alten Rechtslage zu besteuern, wenn der Steuerpflichtige seine Rente so frühzeitig beantragt habe, dass er die Zahlungen vor dem 1. Januar 2005 hätte erwarten können.
Der Bundesfinanzhof sah dies nun jedoch anders: Die gesetzliche Neuregelung der Besteuerung der Renten sei ausdrücklich auf alle Rentenzahlungen anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 2004 zugeflossen seien. Für eine Einschränkung dieser Vorschrift bestehe keine verfassungsrechtliche Notwendigkeit.
Eine Rentennachzahlung der gesetzlichen Rentenversicherung, die dem Rentenempfänger nach dem 31. Dezember 2004 zufließt, wird mit dem Besteuerungsanteil gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG besteuert, auch wenn sie für einen Zeitraum gezahlt wird, der vor dem Inkrafttreten des AltEinkG liegt.
Die Anwendung des AltEinkG auf Nachzahlungen einer Rente, deren Beginn vor 2005 liegt, ist verfassungsgemäß.
Besteuerung der Nachzahlung nach dem AltEinkG
Die von der Klägerin im Jahr 2005 bezogene Erwerbsminderungsrente ist nach diesem Urteil des Bundesfinanzhofs zu Recht mit einem Besteuerungsanteil von 50 % der Besteuerung unterworfen worden. Erwerbsminderungsrenten der gesetzlichen Rentenversicherung gehören zu den Leibrenten und sonstigen Leistungen, die gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG zu besteuern sind. Daher bestimmt sich der Besteuerungsanteil der Rente nach der Tabelle des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 3 EStG. Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der Einbeziehung der Erwerbsminderungsrenten in die Vorschrift des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG bestehen nicht.
Die Besteuerung gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG gilt auch für die Erwerbsminderungsrenten, die im Jahr 2005 für die Jahre 2003 und 2004 nachgezahlt wurden. Die Neufassung des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG durch das AltEinkG ist gemäß § 52 Abs. 1 EStG auf Nachzahlungen früherer Jahre anwendbar. Es bedarf keiner teleologischen Reduktion. Die Neuregelung des AltEinkG ist auch im Hinblick auf diese Nachzahlungen verfassungsgemäß und verstößt insbesondere nicht gegen das Verbot der unzulässigen Rückwirkung.
Sowohl die laufenden Rentenbezüge der Klägerin als auch die Rentennachzahlungen sind Leistungen i.S. des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG, weil sie aus der gesetzlichen Rentenversicherung stammen. Es besteht kein Anlass anzunehmen, dass Nachzahlungen nicht von dieser Vorschrift umfasst sein sollen. So sind auch die Konsequenzen von Nachzahlungen für die Berechnung des der Besteuerung zugrunde zu legenden Besteuerungsanteils gesetzlich geregelt: Führen Rentennachzahlungen für vergangene Jahre zu einer Erhöhung des Jahresbetrages der Rente, ist nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 6 EStG eine Neuberechnung des steuerfreien Teils der Rente notwendig.
Nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 3 EStG ist der der Besteuerung unterliegende Anteil nach dem Jahr des Rentenbeginns und dem in diesem Jahr maßgebenden Prozentsatz aus der nachstehenden Tabelle zu entnehmen. Der Besteuerungsanteil für alle Renten, bei denen das Jahr des Rentenbeginns vor 2006 liegt, beträgt danach 50 %. Dieser Prozentsatz gilt auch für die im Jahr 2005 nachgezahlten Renten der Klägerin der Jahre 2003 und 2004, da deren Beginn im Jahr 2003 und damit vor 2006 liegt.
Gemäß § 40 Abs. 1 SGB I entstehen Ansprüche auf Sozialleistungen, sobald ihre im Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen vorliegen. Eine Rente wird grundsätzlich nach § 99 SGB VI von dem Kalendermonat an geleistet, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen für die Rente erfüllt sind, sofern die Rente bis zum Ende des dritten Kalendermonats nach Ablauf des Monats beantragt wurde, in dem die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt waren. Bei einer Erwerbsminderungsrente ist gemäß § 43 SGB VI Voraussetzung, dass eine teilweise oder volle Erwerbsminderung sowie besondere versicherungsrechtliche Voraussetzungen vorliegen. Aufgrund der Sonderregelung des § 101 Abs. 1 SGB VI werden befristete Renten, wie z.B. eine Erwerbsminderungsrente, nicht vor Beginn des siebten Kalendermonats nach Eintritt der Erwerbsminderung geleistet. Ob mit dieser Vorschrift der Beginn und damit das Entstehen der Rente modifiziert wird oder es sich lediglich um eine Fälligkeitsregelung i.S. des § 41 SGB I handelt kann dahinstehen, da nach beiden Auffassungen das Jahr des Beginns der Erwerbsminderungsrente der Klägerin das Jahr 2003 ist. Der Zeitpunkt des erstmaligen Zuflusses einer Rentenzahlung ist demgegenüber für den “Rentenbeginn” i.S. des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG irrelevant.
Die Neufassung des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG ist trotz des rechtlich im Jahr 2003 liegenden Rentenbeginns auf die im Jahre 2005 nachgezahlten Renten der Klägerin anwendbar. § 52 Abs. 1 Satz 1 EStG i.d.F. des AltEinkG bestimmt, dass “diese Fassung des Gesetzes erstmals für den Veranlagungszeitraum 2005 anzuwenden” ist, soweit in den folgenden Absätzen nichts anderes bestimmt ist.
Die Einkommensteuer wird gemäß § 25 Abs. 1 EStG nach Ablauf des Kalenderjahres (Veranlagungszeitraum) nach dem Einkommen veranlagt, das der Steuerpflichtige in diesem Veranlagungszeitraum bezogen hat. Die Einkünfte aus einer Leibrente i.S. von § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG ergeben sich nach § 2 Abs. 1 Nr. 7 i.V.m. Abs. 2 Nr. 2 EStG aus dem Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten. Nach § 2 Abs. 7 Satz 2 i.V.m. § 25 EStG sind die Grundlagen für die Einkommensbesteuerung jeweils für ein Kalenderjahr nach dem Zufluss und Abfluss von Gütern und nicht –wie bei Gewinneinkünften i.S. des § 2 Abs. 2 Nr. 1 EStG– nach der Veränderung des Vermögensbestandes zu ermitteln. Nach § 11 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 EStG sind Einnahmen und Ausgaben nach dem kalenderjahrbezogenen Zu- und Abflussprinzip zu erfassen, sofern nicht –wofür im Streitfall keine Anhaltspunkte bestehen– eine abweichende gesetzliche Ausnahmeregelung zur Anwendung kommt.
Eine anderweitige Regelung für den zeitlichen Anwendungsbereich der Neuregelung für gesetzliche Altersrenten ist weder in § 52 Abs. 1 Satz 2 EStG noch in den folgenden Absätzen enthalten. Zwar gilt nach § 52 Abs. 1 Satz 2 EStG beim Steuerabzug vom Arbeitslohn Satz 1 mit der Maßgabe, dass diese Fassung erstmals auf den laufenden Arbeitslohn anzuwenden ist, der für einen nach dem 31.12. 2004 endenden Lohnzahlungszeitraum gezahlt wird, und auf sonstige Bezüge, die nach dem 31.12. 2004 zufließen. Diese sonstigen Bezüge umfassen aber –worauf die Kläger zu Recht hingewiesen haben– nicht die sonstigen Einnahmen i.S. des § 22 EStG, sondern erfassen, wie sich auch aus dem Zusammenhang der Regelung ergibt, die lohnsteuerlichen sonstigen Bezüge i.S. des § 38a Abs. 1 Satz 3 EStG.
§ 52 Abs. 1 EStG in der für den Veranlagungszeitraum 2005 geltenden Fassung ist –im Gegensatz zur Auffassung der Kläger und des FG– nicht im Wege einer teleologischen Auslegung so zu reduzieren, dass Nachzahlungen von Renten –dazu gehören sowohl Erwerbsminderungsrenten als auch Altersrenten–, die bis zum 31.12. 2004 entstanden und erst ab dem Veranlagungszeitraum 2005 ausgezahlt worden sind, nach der bisherigen Systematik besteuert werden.
Eine Rechtsfortbildung im Wege der teleologischen Reduzierung setzt eine verdeckte Regelungslücke voraus. Diese ist gegeben, wenn das Gesetz zwar eine Regelung enthält, diese aber ihrem Zweck nach auf eine bestimmte Gruppe von Fällen nicht passt, weil sie deren für die Wertung relevante Besonderheiten außer Acht lässt. Eine solche Regelungslücke ist nicht erkennbar.
Die relevante Besonderheit der steuerlichen Situation der Klägerin liegt darin, dass sie Rentennachzahlungen aufgrund des Zuflussprinzips in einem Veranlagungszeitraum zu versteuern hat, dem sie wirtschaftlich nicht zuzuordnen sind.
Dem Gesetzgeber war bewusst, dass das Zuflussprinzip in Einzelfällen nicht immer zu einer interessengerechten Zuordnung führt. So hat er in § 52 Abs. 1 Satz 2 EStG für die Situation des laufenden Arbeitslohns sowie in § 11 Abs. 1 Satz 2 EStG für regelmäßig wiederkehrende Einnahmen, die kurz vor oder nach dem Stichtag geleistet werden, Sonderregelungen geschaffen, die vom Zuflussprinzip abweichen. Das Fehlen einer entsprechenden Ausnahmeregelung für Rentennachzahlungen deutet darauf hin, dass der Gesetzgeber eine solche nicht für notwendig hielt.
Sinn und Zweck des § 52 Abs. 1 EStG erfordern keine teleologische Reduktion für den Fall nachgezahlter Erwerbsminderungsrenten.
Durch § 52 Abs. 1 EStG wird der Systemwechsel der Rentenbesteuerung zum 01.01.2005 zeitlich festgeschrieben. Ab diesem Zeitpunkt, der im Übrigen durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 6. März 2002 vorgegeben war, wollte der Gesetzgeber mit dem AltEinkG eine “steuerrechtssystematisch schlüssige und folgerichtige Behandlung von Altersvorsorgeaufwendungen und Altersbezügen” erreichen. Der Stufenplan zur Verwirklichung der nachgelagerten Besteuerung der Altersrentenbezüge sah vor, dass gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG Leibrenten und andere Leistungen aus der sog. Basisversorgung, die im Jahr 2005 beginnen bzw. bereits in zuvor liegenden Jahren begonnen haben, zu 50 % in die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer eingehen. Der steuerbare Anteil der Rente für jeden neu hinzukommenden Rentnerjahrgang (Kohorte) steigt kontinuierlich, so dass erstmalig für die “Rentnerkohorte” des Jahres 2040 die Leibrente in voller Höhe steuerpflichtig sein wird. Der sich ergebende steuerfrei bleibende Teil der Jahresbruttorente (d.h. der Unterschiedsbetrag zwischen dem Jahresbetrag der Rente und dem der Besteuerung unterliegenden Anteil der Rente) wird für jeden Steuerpflichtigen auf die Dauer des Rentenbezugs festgeschrieben (§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Sätze 4 und 5 EStG).
Der Gesetzgeber hat damit im Bereich der Übergangsregelung den Anknüpfungspunkt zur Ermittlung des zu versteuernden Rentenanteils geändert. Er macht die Besteuerung nicht mehr von dem Lebensalter des Rentenberechtigten bei Beginn der Rente abhängig, sondern lediglich vom Jahr des Rentenbeginns. Der Besteuerungsanteil auch von Rentennachzahlungen kann damit systemgerecht und ohne Probleme ermittelt werden.
Mit § 52 Abs. 1 EStG beabsichtigte der Gesetzgeber die vollständige Umstellung der Rentenbesteuerung auf das neue System. Konsequenterweise wurden alle ab dem Jahr 2005 zugeflossenen Rentenbezüge unterschiedslos der Übergangsregelung unterworfen und entsprechend ihrem Beginn einer Kohorte zugeordnet. Von dieser Übergangsregelung sind auch Rentennachzahlungen für frühere Jahre betroffen.
Eine weitere Besonderheit des Streitfalls besteht darin, dass die Klägerin nach eigener Aussage zwar alles getan hatte, um noch im Jahr 2004 die Rentenzahlungen zu erhalten, es aber auf Grund von Umständen, die –wie sie behauptet– nicht von ihr zu beeinflussen waren, nicht zu einer rechtzeitigen Auszahlung vor dem 01.01.2005 gekommen ist. Ein besonders gelagerter Einzelfall erfordert jedoch keine gesetzliche Einschränkung des generellen Anwendungsbereichs eines Grundprinzips der Einkommensbesteuerung, nämlich der Besteuerung des tatsächlich verwirklichten und nicht des gewünschten Sachverhalts.
Die Finanzverwaltung hat zwar vor der Neuregelung der Rentenbesteuerung durch das AltEinkG die Auffassung vertreten, bei Nachzahlungen von Leibrenten sei in Fällen einer zwischenzeitlichen Änderung der gesetzlichen Ertragsanteile nicht der im Veranlagungszeitraum des Zuflusses geltende Ertragsanteil maßgeblich, sondern derjenige, der für die Veranlagungszeiträume gegolten habe, für die die Nachzahlungen geleistet worden seien.
Nach Inkrafttreten des AltEinkG hat die Finanzverwaltung demgegenüber ausdrücklich entschieden, die Besteuerung der Rentennachzahlungen richte sich nach der im Zuflusszeitpunkt geltenden Fassung des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG. Damit hat sie eine generelle Billigkeitsmaßnahme in Bezug auf die Rentennachzahlungen früherer Zeiträume abgelehnt.
Für eine auf §§ 163, 227 der Abgabenordnung gestützte selbständig anfechtbare und von der Rechtmäßigkeitsprüfung unabhängige einzelfallbezogene Billigkeitsentscheidung ist in diesem sich auf die Rechtmäßigkeitsprüfung des finanzgerichtlichen Urteils und des Steuerbescheides beschränkenden Revisionsverfahren kein Raum.
Kein Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot
Die Neuregelung der Rentenbesteuerung durch das AltEinkG ist –auch in Bezug auf die Rentennachzahlungen früherer Jahre– verfassungsgemäß. Die Besteuerung der Rentennachzahlungen der Jahre 2003 und 2004 gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG verstößt insbesondere nicht gegen das Rückwirkungsverbot.
Bereits in drei früheren Urteilen hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass die geänderte Besteuerung der Renteneinkünfte aufgrund des Systems der nachgelagerten Besteuerung unter Aufgabe des Systems der Ertragsanteilsbesteuerung ab dem Jahr 2005 nicht gegen den rechtsstaatlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes verstößt. Die Abwägung zwischen dem Ausmaß des durch die Gesetzesänderung verursachten Vertrauensschadens und der Beeinträchtigung der geschützten Grundrechtspositionen des Einzelnen (insbesondere Art. 2 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 GG) einerseits und der Bedeutung des gesetzgeberischen Anliegens für das Gemeinwohl andererseits führe zu dem Ergebnis, dass die verfassungsrechtlich geforderte Beseitigung der steuerlichen Ungleichbehandlung der Alterseinkünfte –bei gleichzeitiger Berücksichtigung der Finanzierbarkeit der Neuregelung für die öffentlichen Haushalte– das Interesse des Steuerpflichtigen am Fortbestand der Ertragsanteilsbesteuerung seiner Renteneinkünfte überwiege. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Ausführungen in den BFH, Urteilen jeweils unter B.II.02. Bezug genommen.
Diese Abwägung führt auch bei der Besteuerung von laufenden Erwerbsminderungsrenten zu demselben Ergebnis, selbst wenn dadurch die individuelle steuerliche Belastung des betroffenen Steuerpflichtigen erheblich ansteigt.
In Bezug auf die Besteuerung von nachgezahlten Erwerbsminderungsrenten ist –ebenso wie bei laufenden Rentenzahlungen– von einer unechten Rückwirkung oder tatbestandlichen Rückanknüpfung auszugehen, da belastende Rechtsfolgen der Norm erst nach ihrer Verkündung eingetreten sind, hier die insoweit nachteilige Besteuerung mit dem Besteuerungsanteil des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG ab dem 01.01.2005. Tatbestandlich sind sie aber von einem bereits ins Werk gesetzten Sachverhalt –hier den bereits im Jahr 2003 entstandenen Rentenansprüchen– ausgelöst worden.
Eine unechte Rückwirkung ist nach der Rechtsprechung des BVerfG nicht grundsätzlich unzulässig. Die Gewährung vollständigen Schutzes zu Gunsten des Fortbestehens der bisherigen Rechtslage würde ansonsten den dem Gemeinwohl verpflichteten Gesetzgeber in wichtigen Bereichen lähmen und den Konflikt zwischen der Verlässlichkeit der Rechtsordnung und der Notwendigkeit ihrer Änderung im Hinblick auf einen Wandel der Lebensverhältnisse in nicht mehr vertretbarer Weise zu Lasten der Anpassungsfähigkeit der Rechtsordnung lösen. Der verfassungsrechtliche Vertrauensschutz geht insbesondere nicht so weit, den Staatsbürger vor jeder Enttäuschung zu bewahren. Soweit nicht besondere Momente der Schutzwürdigkeit hinzutreten, genießt die bloß allgemeine Erwartung, das geltende Recht werde zukünftig unverändert fortbestehen, keinen erhöhten verfassungsrechtlichen Schutz. Der Gesetzgeber muss aber, soweit er für künftige Rechtsfolgen an zurückliegende Sachverhalte anknüpft, dem verfassungsrechtlich gebotenen Vertrauensschutz in hinreichendem Maß Rechnung tragen. Die Interessen der Allgemeinheit, die mit der Regelung verfolgt werden, und das Vertrauen des Einzelnen auf die Fortgeltung der Rechtslage sind abzuwägen. Eine unechte Rückwirkung ist mit den Grundsätzen grundrechtlichen und rechtsstaatlichen Vertrauensschutzes daher nur vereinbar, wenn sie zur Förderung des Gesetzeszwecks geeignet und erforderlich ist und wenn bei einer Gesamtabwägung zwischen dem Gewicht des enttäuschten Vertrauens und dem Gewicht und der Dringlichkeit der die Rechtsänderung rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit gewahrt bleibt.
Diese verfassungsrechtlichen Grundsätze zugrunde gelegt ist bei der Gesamtabwägung der Interessen auf Seiten der Kläger zu berücksichtigen, dass die gemäß §§ 43, 99 und 101 Abs. 1 SGB VI i.V.m. § 40 SGB I im Jahr 2003 entstandene Erwerbsminderungsrente eine unter Geltung des alten Einkommensteuerrechts erworbene Rechtsposition darstellt. Es handelt sich damit nicht mehr lediglich um eine vertrauensrechtlich nicht besonders geschützte Erwartung, z.B. von künftigen Renteneinnahmen. Vielmehr ist bereits ein “Vermögensbestand im grundrechtlich geschützten Verfügungsbereich” konkret vorhanden. Diese konkret verfestigte Vermögensposition wird durch die Anwendung der Neuregelung der Rentenbesteuerung erheblich entwertet, da die Rentenzahlungen für 2003 und 2004 nicht mehr mit einem Ertragsanteil von 4 %, sondern einem Besteuerungsanteil von 50 % besteuert werden. Die nachträgliche Entwertung der bereits im Jahr 2003 verfestigten Rechtsposition der Klägerin durch die Einbeziehung der Nachzahlungen früher entstandener Renten in die Neuregelung des AltEinkG führt zu einem erhöhten gesetzgeberischen Rechtfertigungsbedarf. Hierfür reichen die Gründe, die die generelle Einbeziehung bereits laufender Renten in die gesetzliche Neuregelung rechtfertigen, allein noch nicht aus.
Rechtfertigungsgrund für die Einbeziehung auch von Rentennachzahlungen in die Neuregelungen ist das dem EStG für Überschusseinkünfte zugrunde liegende Zuflussprinzip. § 11 EStG ermöglicht die Abschnittsbesteuerung, indem er die Entscheidung darüber trifft, wann eine Einnahme anzusetzen ist. Es ist offensichtlich, dass der Gesetzgeber gewisse Härten, die sich notwendigerweise aus der Abschnittsbesteuerung und dem Zuflussprinzip im Einzelfalle ergeben können, bewusst in Kauf genommen hat.
Mit dieser Grundentscheidung für die Anwendung des Zuflussprinzips bei den Überschusseinkünften, zu denen auch die Renteneinkünfte gehören, geht eine Verwaltungsvereinfachung einher, die ebenfalls als Rechtfertigungsgrund heranzuziehen ist. Der Notwendigkeit einer im Rentenbesteuerungsverfahren als Massenverfahren einfachen, praktikablen und gesamtwirtschaftlich tragfähigen Lösung hat der Bundesfinanzhof bereits in seinem Urteil vom 26. November 2008 eine entscheidende Bedeutung zugebilligt.
Dem Hinweis, eine Komplizierung des Verfahrens sei bei der steuerlichen Beurteilung von Rentennachzahlungen nicht zu befürchten, da die zeitliche Zuordnung der Rentenzahlungen ohne Weiteres möglich sei, ist entgegenzuhalten, dass zur Einschätzung des Verwaltungs- und Kontrollaufwands einer gesetzlichen Regelung der Gesetzgeber aufgerufen ist, der eine Einschätzungsprärogative besitzt. Dafür, dass er diese willkürlich ausgeübt hätte, ist vorliegend kein Anhaltspunkt erkennbar.
Hinzu kommt, dass selbst nach Auffassung des FG Nachzahlungen einer Erwerbsminderungsrente für Zeiträume bis zum 31.12. 2004, die erst ab dem Veranlagungszeitraum 2005 ausgezahlt werden, nur dann der bisherigen Systematik der Rentenbesteuerung zu unterwerfen sind, “wenn der Steuerpflichtige die Zahlung der Rente so rechtzeitig beantragt hat, dass eine Zahlung bis zum 31.12.2004 hätte erfolgen müssen”. Diese Einschränkung, die dem Billigkeitsgedanken entspringt, würde aber dazu führen, dass die Finanzverwaltung das Verfahren der Rentenantragstellung zu überprüfen und zu bewerten hätte, um im Einzelfall zu entscheiden, ob es bei der Besteuerung mit dem Besteuerungsanteil gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG verbleibt oder ob ausnahmsweise der Ertragsanteil der Rente der Besteuerung zugrunde zu legen ist.
Zudem ist zu berücksichtigen, dass die Grundzüge der Neuregelung der Rentenbesteuerung, die auch die entsprechende steuerliche Behandlung von nachgezahlten Erwerbsminderungsrenten beinhalteten, bereits seit dem Entwurf des AltEinkG vom 9. Dezember 2003 bekannt waren. Die Steuerpflichtigen konnten sich spätestens ab Verkündung des AltEinkG am 05.07.2004 auf die ab dem 01.01.2005 geltende Neuregelung einstellen und ggf. auf eine Beschleunigung des Rentenbewilligungsverfahrens hinwirken.
Bundesfinanzhof, Urteile vom 13. April 2011 – X R 1/10, X R 19/09 und X R 17/10

Wird wohl am einfachsten sein dem Finanzamt das ganze Geld zu schicken und das, das sie nicht wollen sollen sie dann gerade zurückschicken……. :Ohnmacht:
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Re: Besteuerung von Erwerbsminderungsrenten

Ungelesener Beitrag von Vrori » Do 28. Jul 2011, 09:16

Hallo,

um so wichtiger wird jetzt auch die Beantragung eines GDB...denn da gibt es ja Steuerfreibeträge..nicht viel, aber kleinvieh macht auch...ihr wißt schon.

Gruß
Vrori
LG
Vrori

ich stelle ausdrücklich fest, dass meine Hinweise keine Rechtsberatung sind...
lediglich Tipps, die auf Erfahrung beruhen...

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